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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Volljährigkeit auch wieder damit aufgehört hatte.
    Achtzehn ist einfach kein Alter mehr, um noch Kinderarbeit zu machen.
    Er war seit diesem Moment nie wieder vor einem Klavier gesessen. Wenn er eines sah, bei Freunden, im Schaufenster, im Fernsehen, in Lenas Musikschule, dann lächelte er in der Manier ehemals chronisch kranker Menschen, die nach Jahren ungezählter Arztbesuche und unsinnigster Behandlungen ihre Krankheit mit ein paar Globuli oder ein paar schlichten Atemübungen – eher mit einem Symbol als sonstwas – abserviert haben.
    Es gibt natürlich solche und solche Kinderarbeit. Und offensichtlich war Lena, die mit sechs, sieben Jahren das Geigenspiel begonnen hatte, zu weit mehr als einer bloßen Pflichterfüllung bereit. Und zwar nicht nur, weil ihr Spiel zwischenzeitlich selbst von kritischen Zuhörern als gekonnt und erstaunlich reif bezeichnet wurde, sondern es ihr auch wirklich eine Erfüllung bescherte, die Luft mit den doch recht kriegerischen Tönen dieses Streichinstruments zu bevölkern. Genaugenommen, die Luft außer Kraft zu setzen, sie zu zerschneiden und durch das Geigenspiel zu ersetzen. Erst auf einer solcherart zerschnittenen Luft ließen sich auch weiche Klänge plazieren.
    Es war nun mitnichten Chengs Aufgabe, diese wie auch andere Vorlieben seiner Stieftochter zu verstehen, sondern sie hinzunehmen und seinen Beitrag zu liefern. Also Lena zum Unterricht zu bringen und zwei Stunden später wieder abzuholen. Wobei eine Fünfzehnjährige das natürlich auch alleine hinbekommen hätte, aber erstens mußte ja jemand die Schachtel mit den Reitstiefeln tragen und außerdem schätzte Lena durchaus eine solche Begleitung. Nicht, daß sie nicht auch mit Freundinnen oder alleine unterwegs war, aber Chengs geduldige Anwesenheit gab ihr ein Gefühl des Besonderen. Und sie war gerne besonders. Während andere in ihrem Alter alles taten, ihre Väter oder Stiefväter oder welche Funktion auch immer die Männer ihrer Mütter innehatten, diese Männer also möglichst weit von sich fernzuhalten, nahm Lena den Mann, den sie durchaus »Papa« nannte, gerne auf ihre Streifzüge mit, selbst jetzt während der Schulferien, ohne aber im geringsten eine Lolita-Strategie zu verfolgen. Nein, eher war es so, als hätte sie einen Kammerdiener an ihrer Seite, noch dazu einen, der das Prinzip der Dienstleistung zur Gänze erfüllte, also nicht zuletzt die Rechnungen beglich. Auf diese Weise ergab sich eine ideale Verbindung von Kinderarbeit und Erwachsenenarbeit.
    Als Lena das Haus verließ, in welchem sie ihren Geigenunterricht absolviert hatte, wurde sie von Cheng empfangen, der die beiden Stunden in der Nachmittagsvorstellung eines Kinos zugebracht hatte. Die Prinzessin schien jetzt frei vom Druck einer Erbse, wirkte gut gelaunt und gab ihrem Vater einen Kuß auf die Wange. Zusammen spazierten sie die Straße entlang, blieben immer wieder stehen, um in eine der zahlreichen Auslagen zu sehen. Und zwar aus dem einen wirklichen Grund, weil das Kugelmodell des Schicksals es exakt so und nicht anders vorschrieb. Wären sie nicht auf diese Weise und in dieser Schnelligkeit oder Langsamkeit herumgebummelt, hätten sie auch nur ein paar Sekunden verschenkt oder hinzugefügt, dann … aber sie brauchten genau die Zeit, um dort hinzugelangen, wo sich, wie an jedem anderen Punkt ihres Weges ebenso, ihr Schicksal erfüllte.
    Im Grunde war es ein relativ windstiller Tag, so daß man sich fragen mußte, woher die plötzliche Windböe gekommen war. Aber Windböen können zwar berechnet, jedoch nicht befragt werden. Ohnehin würde die Existenz dieser Böe später umstritten sein. Einige würden von ihr berichten, andere nicht. Jedenfalls kann man es kaum diesem einen Windstoß alleine zuschreiben, daß der soeben mit einem Betonfertigteil belastete Fahrzeugkran aus dem Gleichgewicht geriet. Und zwar an einer höchst ungünstigen, weil engen Stelle, so daß der Kran nicht etwa wie jene zielsicher umgeschnittenen Bäume oder punktgenau gesprengten alten Industrieanlagen ohne die Verursachung eines Schadens die Erde erreichte. Nein, er erreichte keine Erde, sondern stürzte wie ein gegen die Laufrichtung vom Pferd geschossener Reiter in ein Gebäude, das sich vis-à-vis der eigentlichen Baustelle befand.
    Natürlich war der Einsatzort dieses hochmodernen Teleskopkrans zuvor abgesperrt worden, auch fiel die Konstruktion nicht auseinander, sondern grub sich ein Stück in die Dachkante des Hauses, um sodann in einer Schrägstellung

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