Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Breite des Kuverts besitzt, in das er gefügt wird. Ja, das war wohl die Visitenkarte dieses Mannes: seine Einarmigkeit. Eine Einarmigkeit, die in einer Welt voll von Chinesen, selbst noch hier im unasiatischen Wien, sich sehr viel eher eignete, Herrn Cheng auf den Punkt zu bringen. Daß dieser Mann freilich als Detektiv arbeitete oder wenigstens bis vor einiger Zeit einer solchen Beschäftigung nachgegangen war, konnte Red nicht so richtig glauben. Möglicherweise war dies ja auch nur der Beruf des erfundenen Cheng, während der echte hier … Red konnte sich nicht wirklich einen Job für diesen Mann vorstellen. Gleichzeitig erschien es ihm aber wichtig zu sein, Cheng jetzt einen Beruf anzudichten, der besser paßte als jener bislang angedichtete.
    »Pianist«, sagte sich Red, »der Mann ist ein Pianist. Die gibt es schließlich auch einarmig.«
    Wobei Red sich nun zu der Vorstellung verstieg, jemand könnte mit Absicht seinen Arm verlieren, um die für nur eine Hand geschriebenen Kompositionen nicht bloß spielen zu können – denn dazu war ja ein zweiarmiger Mensch ebenso imstande –, sondern um diesen speziellen Klavierstücken auch das richtige Bild zu liefern. Dabei dachte Red natürlich an jene Werke, die der allein schon durch seinen Namen berühmte Paul Wittgenstein, welcher im Krieg einen Arm eingebüßt hatte, in Auftrag gegeben hatte, etwa bei Prokofjew und Ravel, bei Britten, Hindemith und Korngold. Was Red allerdings in diesem Moment übersah, war, daß selbige Werke für die verbliebene linke Hand Wittgensteins geschrieben worden waren, während Cheng über eine verbliebene Rechte verfügte. Aber ohnedies war es ein bloßes Gedankenspiel, für Red freilich ein nicht unbedeutendes. Er tat sich sehr viel leichter, einen Mann zu observieren, dem er einarmiges Klavierspielen statt etwa einarmige Kriminalistik zuordnen konnte.
    Während also der Mann, der Cheng war, sich nun von seiner Frau verabschiedete und zusammen mit dem Mädchen – bei dem es sich, da ihr absolut nichts Asiatisches anhaftete, wahrscheinlich um eine Stieftochter handelte – in die entgegengesetzte Richtung davonging, legte Red Geld auf den Tisch, erhob sich und machte sich daran, dem Mann und dem Kind zu folgen. Es bereitete ihm sogar ein gewisses Vergnügen, in weiterer Folge den Müßiggang eines Menschen zu beobachten, der offensichtlich nicht jenen Klavierfanatikern angehörte, die Stunde um Stunde ihre Stücke trainierten oder sonstwie an ihrem Konzertflügel lehnten.
    Als erstes ging Cheng mit dem Mädchen in ein kleines italienisches Restaurant, wo sie zu Mittag aßen, was auch Red in einer Entfernung von nur zwei Tischen tat, obgleich das nicht gerade dem Nonplusultra einer raffinierten Beschattung entsprach. Aber wer, bitteschön, bemerkte solche Beschattungen überhaupt? Nur die Leute in Filmen, die, kaum sitzen sie in einem Auto und fahren davon, in den Rückspiegel sehen und augenblicklich registrieren, daß sich da schon wieder ein schwarzer Audi hinter ihnen befindet.
    Red war kein schwarzer Audi, er brauchte nicht fürchten, bemerkt zu werden.
    Nach der Pizza wechselten Cheng und das Mädchen in einen um die Ecke gelegenen Eissalon. Wobei die zwei bei alldem nicht so wirkten, als seien sie das unzertrennliche Vater-Tochter-Paar. Sie redeten kaum miteinander, was andererseits aber nicht zu heißen brauchte, daß irgendein Ärger zwischen ihnen stand. Sie waren einfach jeder für sich, aber das zusammen. Das Mädchen unterhielt sich die meiste Zeit mit ihrem Handy und das Handy mit ihr, während Cheng eigentlich nichts tat, außer zu essen und zu zahlen und einen zufriedenen Eindruck zu machen.
    Nach dem Eissalon spazierten der Einarmige und seine Tochter zur U-Bahn hinunter und fuhren so lange in der Gegend herum, bis sie einen Laden für Reitzubehör erreicht hatten. Dort blieben sie eine ganze Weile. Red konnte durch die Scheiben sehen, wie das Mädchen verschiedene Reitstiefel probierte. Sie mutete dabei ausgesprochen ungnädig an, eine wahre Prinzessin auf der Erbse. Cheng schien das Theater geduldig zu ertragen, während die Schuhschachteln nach und nach die gestapelte Form genau jener übereinandergelegten Matratzen ergaben, wie man sie aus dem Märchen um die Erbsenprinzessin kennt. Nun gut, Mädchen um die vierzehn, fünfzehn waren nun mal ziemlich aristokratisch: migränoid, dünnhäutig, dünnknochig, dabei aufbrausend, gleichwohl vertiginös, feuchtäugig, auch ohne Korsett steif und schnürbrüstig,

Weitere Kostenlose Bücher