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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Abend. Tendenziell gedankenlos. Wie unter Medikamenten, die nur aus Nebenwirkungen bestehen, aber wohlwollenden.
    Es mochte gegen Mitternacht sein, als sich ein Mann an Reds Tisch setzte, der sichtbar älter war als die meisten hier. Nicht aber auf die coole Art des olivgrünen Musikprofessors, der bestens mit den Büchern und Möbeln und Platten harmonierte, sondern eben fremdartig, deplaziert. Nun, er war ja auch nicht gekommen, um sich in ein Ensemble zu fügen, sondern um Red zu treffen. Er sagte: »Hier bin ich«, wie man sagt: Wenn der Dienstag zu Ende ist, fängt der Mittwoch an.
    »Sie verwechseln mich«, erklärte Red, der jetzt gerne in Ruhe gelassen werden wollte. »Die Annonce muß von jemand anders stammen.«
    »Niemand hat mir gesagt, daß Sie ein Witzbold sind, Red. Verschonen Sie mich damit.«
    »Wer wollte nicht verschont bleiben vom jeweils anderen?«
    »Richtig«, sagte der Mann mit der Stimme einer jener Kirchenglocken, die man in Kanonenkugeln verwandelt hatte. »Aber wir beide haben keine Wahl. Ich bin der Turm und Sie der Springer, da steht man nun mal nebeneinander.«
    »Soweit ich weiß, gibt es von jedem zwei.«
    »Was Sie da für die andere Seite halten, ist bloß der Spiegel.«
    »Dann verstehe ich aber nicht«, meinte Red, »wieso man König und Königin hat.«
    »Das ist nur ein Trick«, erklärte der Andere, »um die Bauern bei der Stange zu halten. Manche stehen auf Könige, andere auf Königinnen, einige auf die Ehe. Darum.«
    »Gut. Bauern sind wir ja nicht«, sagte Red, öffnete seine Arme zu einer übertrieben einladenden Geste und meinte: »Was also kann ich für Sie tun, Herr …?«
    »Fellberg«, sagte Fellberg.
    »Das klingt fast wie Ihr richtiger Name.«
    »Ist er auch. Bei uns in Österreich ist man wegen der Namen nicht so zimperlich wie bei euch Deutschen. Merkt sich sowieso keiner richtig, wie der andere heißt. Das ist ganz typisch für ein Völkergemisch. Jeder ist irgendwie ein Jude und ein Arier, ein Slawe und ein Primat, ein Dackel und eine Amöbe.«
    »Und was sind Sie, Fellberg?«
    »Ich bin ein Wiener, also bin ich alles. Sogar ein bißchen Mondgestein.«
    »Und ein Turm, der gerade fährt.«
    »Ein Turm, der gerade fährt. Richtig. – Das bringt uns zum Geschäftlichen. Haben Sie die Bücher?«
    »Ja. Samt der Briefmarken, auch wenn ich ehrlich nicht weiß, warum das alles so kompliziert sein muß.«
    »Was ist kompliziert?«
    Nun, das war eine angebrachte Frage. Denn ob etwas tatsächlich kompliziert ist, ergibt sich nicht selten aus dem Wissen oder Nichtwissen des Betrachters. Eine noch so komplexe Verstrikkung von Unfällen und Zufällen kann man durchaus übersichtlich nennen, wenn man das Kugelmodell oder die Strukturformel dieser Verstrickung kennt.
    Red unterließ es darum, weiter diese gewisse Umständlichkeit des Falls zu beklagen. Erkundigte sich aber immerhin, woher Fellberg habe wissen können, daß er, Red, hier im phil anzutreffen wäre.
    Fellberg zeigte sich etwas überrascht von dieser Frage und meinte: »Ich erhielt einen Anruf aus Hamburg. Die haben mich zu Ihnen geschickt. Naturellement!«
    »Ach ja«, sagte Red. Was hatte er auch erwartet? Swedenborg liebte es, die Dinge und Menschen zu kontrollieren, nicht der Kontrolle, auch nicht der Macht wegen. Für ihn galt der oft verwendete Spruch, daß der primäre Grund, etwas Bestimmtes zu tun, der sei, es zu können .
    Darum ließ Red auch dies unkommentiert und erklärte stattdessen, daß sich die Bücher und die Briefmarken in seinem Hotelzimmer befinden würden.
    »Gut«, sagte Fellberg, »lassen Sie uns hinfahren und sie holen.«
    »Und was dann?«
    Fellberg zuckte mit den Schultern. »Dann tue ich, wozu man mich beauftragt hat, so wie Sie tun, wozu Sie beauftragt wurden.«
    »Sie sind ein Killer, nicht wahr?«
    »Frage ich Sie«, fragte Fellberg zurück, »ob Sie Damenunterwäsche tragen?«
    Doch Red erwiderte, er hätte immer geglaubt, Killer, Auftragskiller, seien Leute, die mit der größten Selbstverständlichkeit und bar moralischer Bedenken zu ihrer Tätigkeit stehen würden.
    Fellberg gab durch eine Geste in Richtung der Kellnerin zu verstehen, daß man zahlen wolle, beugte sich dann leicht zu Red hin, wobei er diese gewisse Schwerfälligkeit und Bärenhaftigkeit übergewichtiger, alternder, aber niemals ungefährlicher Boxer offenbarte, und meinte im glasklaren Flüsterton: »Wenn die Kinder im Zoo stehen und auf die Flughunde zeigen und dann schreien ›Jö schau, die lieben

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