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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ihre dicken Brillengläser hoch zu dem Hausangestellten, faßte ihn beiläufig am Ärmel und erklärte mit einer Stimme, welche so klang, als würde sie sich aus vielen kleinen Flügelschlägen zusammensetzen, die sich rasch zu Wörtern verdichteten: »Sagen Sie Herrn Swedenborg bitte, es wäre überaus wichtig.«
    »Schon, aber …« Der Mann zögerte. Er schien jetzt wie unter Drogen. Guten Drogen. Er nickte, drehte sich um, verschwand im Haus.
    Ein paar Minuten später kam er wieder heraus und bat Fräulein Lieske und Cheng einzutreten. Herr Swedenborg sei gerade beschäftigt, er gebe einen kleinen Empfang, würde sich aber ein paar Minuten Zeit nehmen, wenn es denn wirklich so wichtig sei.
    Cheng und Lieske wurden in einen Salon geführt, wo man sie Platz nehmen ließ und ihnen Tee servierte. Einen herrlichen Tee, der bewies, daß Swedenborg nicht nur einfach Geld besaß, sondern es auch an den richtigen Stellen einzusetzen verstand. Mitunter trank man ganz schrecklichen Tee in allerersten Häusern.
    Es dauerte vielleicht zehn Minuten, in denen Cheng und das Fräulein kein Wort gewechselt hatten, sondern still dagesessen und immer wieder an dem feinen, gelbgold schimmernden Darjeeling genippt hatten, als Swedenborg hereinkam und sodann mit einem sichtbaren Erstaunen innehielt. Ja, er erstarrte richtiggehend, so wie aber auch das Fräulein Lieske, die Tasse halb auf dem Weg zu ihren Lippen, die kleinen Äuglein über den Brillenrand gerichtet. Die beiden schauten sich an, als würden sie sich kennen, oder als wüßten sie zumindest genau, was sie voneinander zu halten hatten. Und zwar über das Offensichtliche eines reichen, gutaussehenden, theologisch und kriminell angehauchten Mannes und einer kleinen, ältlichen Jungfer hinaus. Man kann in der Tat sagen, daß die Luft knisterte, als verbrenne sie auf der kurzen Strecke, die sich zwischen dem einen und dem anderen Augenpaar gebildet hatte.
    Das mochte keine paar Sekunden dauern, war aber für Cheng absolut spürbar. Dies machte ihm Angst. Und als sei er nicht schon unsicher genug, wurde er nun auch noch mit einem ätzdenden Blick von Swedenborg bedacht. Swedenborg verzichtete auf das »Du« ihrer kurzen Bekanntschaft auf Madeira, als er jetzt wissen wollte: »Was tun Sie hier?«
    In seinem Unbehagen ging Cheng die Sache völlig direkt an. Er sagte: »Ich kann nicht träumen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich muß wissen«, betonte Cheng, »was mit Sehnaz geschehen ist. Was ihr zugestoßen ist. Sie erschien mir im Traum … und seither … seit einem halben Jahr habe ich absolut nichts mehr geträumt.«
    Swedenborg wechselte den Blick der Strenge mit dem der Belustigung und erklärte, daß er maximal Mitleid aufbrächte, hätte Cheng seit einem halben Jahr nicht mehr geschlafen. So aber.
    »Das ist kein Spaß. Ich tue keinen Schritt hier hinaus, bevor Sie mir nicht …«
    Palle Swedenborg unterbrach ihn, indem er auf das Fräulein zeigte und fragte: »Was tut sie hier?«
    »Frau Dr. Lieske ist meine Therapeutin.«
    »Ach was.« Swedenborg lachte kurz auf, als wollte er mit diesem Lachen eine Katze ertränken oder sonst etwas Schreckliches tun. Dann wandte er sich wieder Cheng zu und meinte: »Hören Sie zu, mein Lieber, wenn Sie beginnen, eine Belastung für mich zu sein, indem Sie da in meinem Haus auftauchen und mir so eine Zwergin anschleppen, dann werde ich gezwungen sein, mich um Sie zu kümmern. – Wollen Sie das wirklich? Also, ich will es nicht. Ich hasse es, wenn die Leute mich dazu treiben, das Monster zu geben. Vor allem wenn es Leute sind, die so viel Aufmerksamkeit gar nicht verdienen. Und das tun Sie ganz und gar nicht, kleiner Chinese. Bleiben Sie in Wien und geben Sie Ruhe!«
    Gerne hätte Cheng darauf bestanden, diesen Irrtum, der bereits einen Teil seines Lebens bestimmt hatte und leider auch den Rest bestimmen würde, nämlich für einen »kleinen Chinesen« gehalten zu werden, diesen Irrtum wenigstens hier und jetzt aufzuklären, aber da öffnete sich die Türe und herein trat eine Frau.
    »Gütiger Gott!« entfuhr Cheng ein Stöhnen.
    Bei der Person, die da neben Palle Swedenborg zu stehen kam und ihn in der vertrauten Art einer Lebensgefährtin am Arm faßte, handelte es sich um eine blondhaarige Frau, deren Blondheit beinahe weiß zu nennen war, nicht weiß wie das Alter oder weiß wie das Gebleichte, sondern Weiß von der Art eines großen madeirischen Falters, der angeblich zu existieren aufgehört hatte. Allerdings besaß diese Frau einen

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