Batmans Schoenheit
Geretteten für den nächsten Tag auf das Kommissariat bestellte.
Benny rief dem Beamten auf Englisch hinterher: »Sie sollten sich Herrn Swedenborg einmal genauer ansehen.«
Der Beamte schien aber genau in diesem Moment sein ganzes Englisch verlernt zu haben.
Vierzehntes Bild:
Himmel und Hölle
Sehnaz tauchte nicht wieder auf. Cheng und seine Kommilitonen wurden noch eine Weile verhört und sodann zurück in die Heimat geschickt, als wären sie ein bißchen unartig gewesen. Als hätten sie Leninköpfe auf Häuserwände gemalt.
Salty Dog blieb am Ort. Aber er war jetzt eine Berühmtheit in Funchal. Und der Liebling der Kinder.
Palle Swedenborg wiederum unterschrieb einige Vorverträge und reiste eine Woche später nach London ab, ohne noch einmal mit der Angelegenheit belästigt worden zu sein.
Es versteht sich, daß Sehnaz’ Eltern bemüht waren, das Schicksal ihrer Tochter aufzuklären. Der Vater kam nach Funchal, redete mit der Polizei, mit den Behörden, doch er war nicht mehr der mächtige Mann früherer Tage, der es verstanden hätte, anderen Menschen Beine zu machen. Man hörte ihm freundlich zu, gab ein paar Versprechungen ab und brachte ihn dann wieder auf jenen viel zu kleinen Flughafen zurück, im Grunde so, wie man zuvor auch mit Cheng und den anderen verfahren war.
Natürlich herrschte unter denen in Wien, die Sehnaz gekannt hatten, Bestürzung. Aber die meiste Bestürzung ist nicht nur oberflächlich, sie besteht auch allein aus einer Oberfläche, einer rasch verdampfenden Hülle, die nichts verhüllt. Der eben noch bestürzte Mensch weiß einen Moment später schon nicht mehr, worum es gerade ging, wem oder was die Träne gilt, die im Trocknen begriffen so unangenehm die Wange kitzelt.
Alle, die auf Madeira dabeigewesen waren, nahmen wieder brav ihr Studium auf, gingen sich aber tunlichst aus dem Weg. Jeder von ihnen war überzeugt, daß Sehnaz tot war. Vielleicht war ein Unfall geschehen, den Swedenborg vertuscht hatte, vielleicht auch ein Mord. Nichts auf jeden Fall, was sich würde beweisen lassen. Menschen starben, Menschen verschwanden. Dies zu beklagen, nützte einem wenig, wenn es darum ging, eine Klausurarbeit zu schreiben. Keiner sah einen Sinn darin, eine Selbsthilfegruppe der Madeiraüberlebenden zu bilden und sich selbstquälerisch in der Vergangenheit zu wälzen.
Aber wie heißt es doch so schön: Die Vergangenheit holt einen jeden ein. – Bei Gott, das tut sie.
Sehnaz kam zurück. Und zwar im Traum, was nur jene mit einem Schulterzucken quittieren, die bei diesem Traum nicht dabei waren.
Cheng war dabei. Nicht, daß er sich in diesem Traum auf Madeira befand, vielmehr lag er in genau jenem Bett, in dem er auch schlief, während er diesen Traum träumte. Nur, daß im Traum das Licht brannte. Sonst war alles gleich. Er hatte die Decke bis zur Brust hochgezogen und fragte sich, wieso er das Licht nicht ausgedreht hatte. Doch während er noch überlegte, bemerkte er, wie sich in der Wand links von ihm eine feine Rißlinie bildete. Er dachte an ein Erdbeben, doch das wäre dann ein ziemlich geometriefreundliches Erdbeben gewesen. Denn aus der Wand schälte sich unverkennbar die Form einer geraden Türe heraus, die nun auch in Türenmanier zur Seite glitt.
Sehnaz?!
Ja, es war in der Tat Sehnaz, die durch diese frischgeborene Öffnung hereintrat. Nicht als Wasserleiche oder so, nein, sie sah aus wie immer: super geschminkt, das schwarze Haar am Hinterkopf verknotet, eine weiße Bluse tragend, dazu einen silbergrauen, engen Rock. Sie kam näher, stieg auf das Bett, zog den Rock etwas in die Höhe und ging in die Knie, so daß ihr Unterleib auf Chengs Bauch zu sitzen kam und die Unterschenkel seine Hüften fixierten.
Endlich! Gewissermaßen schien für Cheng ein Traum in Erfüllung zu gehen. Er schickte sich an, ihre Bluse zu öffnen. Doch bevor er dazu kam … Sehnaz fuhr ihre langen, schönen Arme aus und umklammerte mit den nicht minder langen, schönen Händen seinen Hals. Cheng wollte etwas sagen, etwas fragen, aber Sehnaz drückte so kräftig zu, als schnüre sie das Mieder einer sehr kleinen Puppe um den Hals dieses Mannes.
Nun begriff Cheng. Er begriff, warum das hier geschah. Er hätte sich jetzt gerne entschuldigt, dafür, so vollkommen lahmarschig auf ein mögliches Verbrechen reagiert zu haben, darauf verzichtet zu haben, Sehnaz’ rätselhaftes Verschwinden aufzuklären. Ja, er hätte gerne um Verzeihung gebeten, zwar ein Hausschwein namens Salty Dog aus seinem
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