Batmans Schoenheit
dunklen Teint, der aber eindeutig europäisch anmutete, südländisch.
Doch dieses Europäische war ein Trug. Cheng realisierte augenblicklich, daß es sich um Sehnaz handelte. Ihre Augen waren unverkennbar. – Genau diese Augen waren schließlich das letzte gewesen, was er gesehen hatte, bevor er im Traum gestorben war. Er würde diese Augen in tausend Jahren nicht vergessen. Da konnte Sehnaz ihre Haare färben und das Dunkel ihrer Haut abschwächen und ihre Nase begradigen und ihren Brüsten eine künstliche Üppigkeit verleihen … Künstlich? Irrtum! Er begriff es jetzt: Diese Üppigkeit war nicht künstlich. Sehnaz war schwanger. Das silbrige, wie ein Streuselkuchen bestickte Abendkleid bildete auf Bauchhöhe eine sanfte, aber charakteristische Wölbung.
Chengs Augen trafen sich mit denen Sehnaz’, so, als würde man dort anknüpfen, wo man Monate zuvor im Traum aufgehört hatte. Diesmal aber war Sehnaz’ Ausdruck nicht von Wut und Vorwurf und dem Willen zu töten bestimmt, sondern es lag ein deutlicher Schrecken darin.
Der Hausherr hingegen ließ sich keine weitere Irritation anmerken und versprach der Frau an seiner Seite, er würde gleich wieder zu den Gästen zurückkommen. Sodann löste er fürsorglich die Hand der nun auch auf eine natürliche Weise blassen Sehnaz von seinem Arm und bat sie, hinüberzugehen, um sich weiter um die kleine Gesellschaft zu kümmern.
Sehnaz nickte. Im Umdrehen begriffen, warf sie Cheng einen Blick zu, der unverkennbar ein Flehen darstellte. Wollte sie befreit werden? Oder war es nicht eher so, daß sie Cheng aufforderte, so rasch als möglich zu verschwinden und im übrigen zu vergessen, was er gesehen hatte?
»So, das wär’s«, sagte der Hausherr, nachdem man wieder zu dritt war. »Gehen Sie jetzt, Cheng! Und nehmen Sie Ihre Zwergin mit.«
Cheng hatte keine Ahnung, wieso Swedenborg so auf dieser Zwergen-Masche herumritt. Aber das war nicht das Thema. Er fragte: »Was haben Sie mit ihr gemacht?«
»Bitte?«
»Die Blondine, die keine ist«, sagte Cheng und hatte sich aus seinem Sessel erhoben.
»Ich glaube nicht, kleiner Chinese, daß es Sie was angeht, wie meine Frau sich ihre Haare färbt.«
»Ihre Frau?«
Anstatt eine Antwort zu geben, trat Swedenborg ganz dicht an Cheng heran, griff nach dessen Krawatte und richtete sie gerade.
Cheng wollte wissen: »Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, daß Sie das tun?«
»Allein, daß ich mit Ihnen rede, ist ein schlechtes Zeichen«, erklärte Swedenborg. »Aber das soll Ihnen Ihre Therapeutin erklären.«
Das war es dann auch. Swedenborg ließ die Krawatte los, streifte Fräulein Lieske mit einem letzten, kalten Blick und verließ den Salon.
Cheng erregte sich: »Das war sie! Das war Sehnaz! Seine angebliche Frau.«
Auch das Fräulein erhob sich. »Nicht angeblich. Sie ist seine Frau.«
»Aber …«
»Kommen Sie, Cheng. Lassen Sie uns später darüber reden. Umso schneller wir aus diesem Haus sind, umso besser.«
Doch als sie nun eben dieses Haus verlassen wollten, trafen sie nochmals auf Swedenborg, der soeben einen weiteren Gast begrüßte, einen Mann mit Vollbart und einem vom vielen Weltumsegeln vernarbten und verzierten Gesicht.
Cheng, der knapp an Swedenborg vorbeiging, konnte sich nicht zurückhalten, etwas zu sagen. Wobei sich die Frage stellt, ob es wirklich das Schicksal Sehnaz’ war, das ihn in diesem Moment anstachelte oder nicht eher der Umstand, gleich zweimal als »kleiner Chinese« tituliert worden zu sein. Jedenfalls erklärte er, so, wie es ein anderer Österreicher ein paar Jahre später im Film tun sollte, dann allerdings in englischer Sprache: »Ich komme wieder.«
»Ach was?!« höhnte Swedenborg. »Nun, sollten Sie das wirklich versuchen, dann werde ich Sie nicht nur einfach töten lassen, sondern es wird auf eine sehr spezielle Weise geschehen. Welche, überlasse ich gerne Ihrer Einbildungskraft. Denken Sie sich etwas besonders Abartiges aus, dann liegen Sie in etwa richtig.«
»Wer liegt richtig?« fragte von der Seite jener Mann mit Bart und Weltumsegleraura, der leicht angetrunken wirkte.
Swedenborg hielt den Fragenden mit einer unsichtbaren Geste auf Distanz und meinte: »Es liegen alle richtig, die in einer Reihe liegen – wie auf diesen Soldatenfriedhöfen.«
Nun, das verstand der Mann nicht, lachte aber laut auf.
Cheng klang dieses Lachen noch in den Ohren, als er und das Fräulein bereits das Grundstück verlassen hatten.
Am Abend dieses Tages saßen Cheng und
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