Batmans Schoenheit
Schlafzimmer zu erreichen. Doch auf dem Weg dorthin …
Elly ließ die junge Frau nach Hause bringen und gab in der Folge einige Direktiven an die Spurensicherung, ein bißchen in der Art eines Fußballtrainers, der seiner Mannschaft die Himmelsrichtung des gegnerischen Tors anzeigt. Sodann mußte sie sich mit irgendeinem Menschen von der Staatsanwaltschaft unterhalten, welcher Strakas Fehlen beklagte.
»Straka kommt demnächst«, versprach Elly. Nicht, daß sie das noch glaubte. Sie hielt Straka, obgleich er zu den Pünktlichen gehörte, für einen heimlichen Trinker, der hin und wieder heimlich abstürzte. Aber eben auch das Abstürzen unter Kontrolle hatte. Nur heute nicht.
Damit aber lag sie völlig falsch. Vielleicht war es ihrer Jugend zu verdanken, daß sie sich Strakas sentimentale, mitunter liebevolle und friedliche Art allein auf diese Weise erklären konnte. Jedenfalls schickte sie auch den Staatsanwaltmenschen nach Hause, ließ noch jedermann, der Fotos machen wollte, diese machen und gab zuletzt Anweisung, den Leichnam in die Gerichtsmedizin zu bringen, damit in der gleichen Nacht eine Obduktion vorgenommen werden konnte. Eigentlich hätte man das genauso gut am Vormittag erledigen können, aber wie gesagt, ein Mord war eine Übertreibung, auf welche luntenartig die nächste Übertreibung folgte.
Nachdem der Tote abtransportiert worden war und zuletzt die Leute von der Spurensicherung ihre Sachen gepackt hatten, ging Elly in die Küche und machte sich einen Kaffee. Wobei sie ihr eigenes Pulver aus einem verboten anmutenden Plastiksäckchen holte. Sibirischen Kaffee, der von einem Schamanen stammte. Möglicherweise war es ein ganz mieser Kaffee, der gewissermaßen okkultistisch aufgemotzt worden war. Doch sie schwor auf das Zeug und fürchtete den Tag, da ihr der Vorrat, den ein Freund mitgebracht hatte, ausgehen würde. Aber noch war Zeit. Also machte sie sich den Kaffee zurecht und trat mit der gefüllten Tasse zurück in den hohen, weiten Atelierraum. Wie es schien, lebten Schauspieler gerne in Ateliers, während bekanntermaßen die meisten Maler in dunklen Kellern malten und sich dort ein bißchen die Augen verdarben. Wahrscheinlich war das ohnehin der wesentlichste Ausdruck der heutigen Malerei: verdorbene Augen.
Zum ersten Mal war nun Elly wirklich in der Lage – von niemand abgelenkt, bis auf den Kaffee in ihrer Hand –, sich auf den Raum zu konzentrieren, die hohe Bücherwand wahrzunehmen, die zu einem gemäldeartigen Quadrat vereinten gerahmten und verglasten Fotografien, auch ein tatsächliches Gemälde, die schweren Möbel, den offenen Konzertflügel, die Spiegel, die Vasen, die Blumen, den in Mitleidenschaft gezogenen riesigen Teppich, der ihr irgendwie ungarisch vorkam, ohne daß sie hätte sagen können, wieso das denn. Weil er so dunkel war, so abgetreten?
Sie trat an die Fotografien heran. Die üblichen Angeberbilder: Ich und Bruno Ganz, Ich und der Deutsche Theaterpreis, Ich und Rosen aus dem Publikum, Ich und die anderen. Elly kannte solche Fotos von ihren Eltern zur Genüge, nur, daß damals alle Zigaretten im Mund gehabt und alle auf eine fassbinderhafte Weise etwas Verschwitztes und Bärtiges vermittelt hatten, auch die Frauen. Ja gerade die Fassbinderschauspielerin Hanna Schygulla, keineswegs ein Mannweib, hatte diese Bärtigkeit, diese rockig-revolutionäre Geste, diese extravagante Verschwitztheit, auch diesen gewissen Hang zum Feisten und Rohen sehr schön zum Ausdruck gebracht. − Elly mochte diese Zeit nicht, in der häßliche und brutale Männer, so genial sie vielleicht auch gewesen waren, das kulturelle Klima bestimmt und nicht zuletzt ihren Frauen eine Freiheit aufgezwungen hatten, die keine gewesen war. Elly nannte das für sich das Beauvoir-Syndrom. Wie hatte sich eine so gescheite, hübsche Frau an so einen häßlichen, die Untreue kultivierenden Mann anhängen können? Nur, weil er klein gewesen war und ein Gesicht wie ein Frosch besessen hatte? Richtig, er war ein großer Philosoph gewesen. Aber genügte es denn nicht, die Bücher solcher Männer zu lesen?
Elly studierte noch eine Weile die Fotografien, doch bis auf den Umstand, daß auf einem davon Tom Pischof mit dem dritten Mordopfer, Mia Lovis, posierte − und dieser Umstand war bereits von einem ihrer Kollegen festgehalten worden –, konnte sie nichts Entscheidendes entdecken. Daß die vier Toten besser oder schlechter miteinander bekannt gewesen waren, der eine mit dem anderen mal auf der Bühne
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