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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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kleine freie Fläche nahe der Leiche, die vom Blut verschont geblieben war, gerade so groß, daß Elly mit ihren dicht geschlossenen silberfarbenen Krokopumps darin stehen konnte. Mit einer so mechanisch wie überlegt anmutenden Bewegung beugte sie sich zu dem Leichnam hinunter, öffnete mit beiden Händen den erstarrten Mund, zog die Zunge heraus, so gut es eben ging, und betrachtete nun die kleine, rosarote norwegische Briefmarke zu 5 Øre, die man an gleicher Stelle auch bei den anderen Toten gefunden hatte. Wobei die österreichische Polizei zwischenzeitlich wußte, daß es sich hier um eine sehr spezielle norwegische Briefmarke handelte, beziehungsweise um keine norwegische, sondern eine bouvetøyanische.
    Wenn das kein Hinweis war!
    Fragte sich allerdings: ein Hinweis worauf?
    Am deutlichsten war natürlich der Bezug zu jenem bekannten Begräbnisritus in der griechischen Mythologie, bei dem man den Toten eine Münze unter die Zunge klemmte, damit Charon, der Fährmann, sie bezahltermaßen ins Totenreich befördere. Ohne diese Münze, den Charonspfennig, gab es keine Überfuhr. Unter der Zunge aus dem einfachen Grund, weil das ein sehr viel sicherer Platz war als etwa auf der Zunge . Bei Briefmarken mit der Fähigkeit des Selbstklebens war das natürlich anders.
    Wenn man diese Parallele von Münze und Briefmarke ernst nahm, so konnte dies eigentlich nur bedeuten, daß es den vier toten Schauspielern vergönnt war, dank des Obolus, den die Briefmarke darstellte, in das Reich der Toten eingelassen zu werden. Anstatt etwa – wie das im Falle der von Charon abgewiesenen Verstorbenen geschah – hundert Jahre an einem Ufer zu kampieren.
    Drängte sich die Frage auf, wieso ein Mörder sich auf diese Weise herzensgut zeigte. Wegen seines schlechten Gewissens? Oder schlichtweg der Ordnung halber? Weil sich das gehörte. Weil bei aller Grausamkeit der Tötung die Dinge zu einem wirklichen Ende gebracht werden mußten.
    Nun, ebenso gut konnten diese Briefmarken simple Hinweise auf Motiv oder Täter darstellen. Aber so wie gesagt wird, daß der Einäugige der König unter den Blinden ist, muß gesagt werden, daß im Reich der Zyklopen der Hinweis, jemand sei einäugig, nicht gerade hilft, diese Person schneller zu finden. Soviel zum Begriff »simpel.« Die Möglichkeiten der Interpretation dieser Briefmarken – zwischen Philatelie und Erdkunde – waren derart vielfältig, daß die Kriminalisten in keiner Weise weitergekommen waren. Darum auch wurde noch immer darauf verzichtet, den Umstand einer »belegten Zunge« an die Öffentlichkeit zu tragen. Was nämlich zu einer Flut sinnloser Hinweise geführt hätte. Und an solchen war man bereits reich genug.
    Elly ließ die Zunge, wie sie war, schloß somit auch nicht den Mund, erhob sich und tat, über das Blut steigend, einen großen Schritt von dem Körper weg.
    »So wurde der Leichnam aber nicht gefunden«, meinte der Arzt.
    »Ich gebe ihn frei.«
    »Denken Sie nicht, daß Ihr Chef sich unseren Toten auch noch ansehen möchte.«
    Verdammt, sie hatte in der Tat Straka vergessen, der ja eigentlich schon längst hätte hier sein müssen. Und dessen Art es auch gar nicht war, verspätet aufzutreten und alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er war definitiv kein Schauspieler.
    »Sie haben recht«, sagte Elly, die ja ohnehin fand, daß selbst der Arzt auf seine Rechnung kommen sollte, auf seinen Anteil am Rechthaben.
    Aber mehr auch nicht. Sie ließ den Herrn Doktor also stehen und die Leiche liegen und begab sich in einen Nebenraum, wo eine junge Frau mit verheulten Augen in einem enormen Sessel wie im Kelch einer fleischfressenden Pflanze saß. Viel war nicht von ihr zu erfahren. Es handelte sich um eine Kollegin des toten Mimen, die einen Schlüssel zur Wohnung besaß und nach Tom hatte sehen wollen, nachdem er nicht zur Probe erschienen war, was freilich schon mal vorkam. Das Schloß war allerdings mit einer Masse verklebt gewesen. Sie hatte umgehend die Polizei gerufen. In diesen Wochen vermuteten Schauspieler sofort das Schlimmste. Dazu paßte bestens, daß Tom Pischof sich erst vor kurzem eine Pistole zugelegt hatte, allein zu dem Zweck, sich im Notfall schützen zu können. Man hatte die Waffe unter dem Kissen gefunden, was absolut der richtige Ort ist, wenn man im Bett liegend angegriffen wird. Doch offensichtlich war Pischof gerade aus der Dusche gekommen, als ihm sein Mörder entgegengetreten war. Anzeichen sprachen dafür, daß er noch versucht hatte, das

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