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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Transaktionen mit denen, die Briefe aus
den Briefkästen fischten, um darin nach Geld zu suchen. Also musste er dafür
bezahlen und riskierte, dass es ihm an Geld für Kompott fehlte, was im Leben
dieses missglückten Matrosen das Wichtigste bleiben würde. Auf den Postkarten
waren weißgesichtige Geishas abgebildet, die mit den Augen plinkerten. Dominika
betrachtete sie eingehend und zerlegte die Ecken in Schichten, um dem Geheimnis
von Tiefe und Bewegung auf die Spur zu kommen. Es hätte Ratte glücklich gemacht,
zu wissen, dass Dominika diese Karten noch viele Jahre später in ihrem Besitz
haben würde.
    Dank Piotr
Zatrybs Hilfe hatte Dominika nicht nur das Glück, dass ihr der Schneiderberuf
erspart blieb, zu dem sie, Jadzias Hoffnungen zum Trotz, weder Begabung noch
Neigung zeigte, sie fand auch Linderung in den Zahlen mit ihrer kristallklaren
Transparenz. Zahlen sind schön, sagte sie zu Malgosia, wenn sie auf dem Dach
des Babel saßen. Mathematik ist schöner als ein Gedicht. Das stimmt nicht!
Malgosia hielt ihr Stachura entgegen. Wie können Zahlen schöner sein als diese
Worte, hör mal: Wir werden im Menschendschungel
noch einander finden schwindelnde Sehnsucht bringt uns einander näher. Endlich
verschmelzen die verwaisten Bahnen unserer Planeten Wundersam vereinen sich
unsere beiden Körper. In Zahlen ist
alles enthalten, in Gedichten nur ein Teil, entgegnete ihr Dominika, während
Iwona keine Ahnung hatte, wovon die Rede war und es immer öfter vorzog, unten
zu bleiben und an jedem weiblichen Kopf, geschmeidig oder nicht, der sich in
ihre Hände gab, mit Frisuren zu experimentieren. Malgosia nahm nicht ihren
Platz ein, sondern einen ganz neuen; Dominika hatte in ihr einen Menschen
gefunden, den sie nicht zerren und schieben musste, sondern mit dem sie wetteifern
konnte. Ihre Schwefelwunden waren vernarbt, geblieben waren zarte silbrige
Fäden auf ihren Schenkeln und Unterarmen. Manche davon, das sah allein
Malgosia, ähnelten Buchstaben, Buchstabenreihen der Elfenschrift, in der, wie
sie beschwor, Stachuras Gedichte auf Dominikas Körper eingeschrieben waren.
Sie fuhr mit der Fingerspitze über die verschlungenen Linien der Narben und
tat so, als lese sie oder las auch tatsächlich Wie schwer es ist, ohne Engel zu leben Die göttliche Verbannung ist mein
Los doch hab ich es nicht selbst gewählt Sie hat es für mich ausgesucht: das
Mädchen, das ich angebetet habe. Mafgosias Berührung
war herb und süß. Dominika wollte und wollte gleichzeitig nicht, dass sie
weitermachte, die Berührung weckte in ihr die Erinnerung an etwas, was sie nie
gehabt hatte: das ferne leise Singen über himbeer- und honigsüße Mädchen, das
Saugen am Ohrläppchen ihrer Schwester, aus dem Süßes floss. Silbriges tut sich in der Wolkenferne — zur Abwechslung rezitierte Malgosia ein Gedicht von Lesmian, und
Dominika stellte sich an den Rand des Dachs und rief: Komm, wir fliegen nach
Wolkenfern, sofort! Hallo, Empfang, ist das Wolkenfern? Jadzia konnte an
Malgosia keinen Gefallen finden, sie war das völlige Gegenteil ihres zarten
Ideals, und von Anfang an beschwerte sie sich über dieses grobe Luder, das
einen Gang hatte wie ein Kerl. Im Sommer muss sie doch stinken in diesen
Männerhosen.
    Als Jadzia im
Juli ihre Tochter zu Oma Zofia nach Zalesie schickte, war sie froh, dass sie
das schamlose Gesicht von Dominikas neuer Freundin nicht mehr sehen musste. Sie
hoffte sehr, dass sich Dominika im Gymnasium mit einem netten und normalen
Mädchen wie Jagienka Pasiak anfreunden würde. Dominika fuhr zum ersten Mal
allein mit dem Zug, und Jadzia, in deren Kehle Traurigkeit und Gereiztheit
einen feuchten Kloß bildeten, betrachtete das Gesicht der Tochter in der Tür
des Waggons. Ihre Augen, dunkel gerändert, doch voll freudiger Aufregung vor
ihrer ersten Reise allein, wirkten heller als sonst, als gäbe jemand aus der
Tiefe eines Brunnens Zeichen mit einer grünen Taschenlampe. Sie hatte einen
Pickel auf der Nase, die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie
lehnte sich aus dem Fenster und winkte ihrer Mutter auf dem Bahnsteig, bis der
Zug hinter der ersten Biegung verschwand, wie in Zukunft so viele Züge
verschwinden würden. Jadzia, die Handtasche an den Bauch gepresst — man weiß
ja, wie das so ist auf den Bahnhöfen, — und die Hand zur überflüssig gewordenen
Abschiedsgeste erhoben, spürte, wie die Traurigkeit der Zurückbleibenden sie
durchfuhr, und sie stand noch da, als der Zug längst zwischen den Hügeln

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