Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
Vom Netzwerk:
Walbrzycher
Markt, wo eine deutsche Ausflüglergruppe mit Taschen voller Einkäufe seine
Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Ausflügler, alle bereits in mehr als reifem Alter,
mit Goldrandbrillen und gut gelaunt, zeigten mit den Fingern hier und da auf
ramponierte Jugendstilhäuser und den wie üblich von der Luftverschmutzung
hellgrünen Himmel, schenkten den Kindern kugelrunden Kaugummi und knipsten mit
kleinen Fotoapparaten, die ein Vermögen gekostet haben mussten. Ein Vermögen!
dachte Kazimierz Maslak und kam zu der Erkenntnis, dass die Zeit für die
Mutigen angebrochen war und man auf den internationalen Markt vorstoßen konnte.
Auf diesem Wege wurde er Hersteller von Gartenzwergen aus Gips, wie sie die
Nachbarn im Westen so gern in ihren adretten Gärtchen aufzustellen pflegten,
vor ihren Häusern, die so hübsch eingerichtet waren wie im Otto-Katalog. Nach
zwei Jahren war aus seinem Vierpersonenbetrieb ein Unternehmen mit zwölf
Angestellten geworden, die jeden Monat zwischen zweihundert und zweihundertsechzig
Gartenzwerge in die BeErDe verkauften. Als Stefan starb, ging es der Krasnalex
GmbH prächtig, und gerade war Schneewittchen in die Produktpalette aufgenommen
worden. Wer sieben Zwerge auf einmal kaufte, bekam ein Schneewittchen zum
halben Preis. Ideechen musste man haben!
    Onkel Kazimierz
empfand Verantwortung für Dominika, die sein Patenkind war und außerdem ein
Mädchen, wenn auch nicht eins von der allerliebsten Sorte. Er besuchte sie
regelmäßig zweimal im Jahr, brachte Puppen mit, die sie nicht mochte, und
verlangte Zärtlichkeiten - Hoppe-Hoppe-Reiter - auf seinen Knien, von denen ihr
schlecht wurde. Mit Hingabe steckte er Münzen in das tönerne Sparschweinchen,
das er ihr geschenkt hatte. Dann hob er das Sparschweinchen und schüttelte es
heftig zu einer Miene gespielter Begeisterung, damit Dominika hören sollte,
wie schön der Klang von Geld war. Stefans Tod bewog Onkel Kazio zu konkreterem
Handeln, und er bot Jadzia eine Arbeitsstelle bei Krasnalex an. Anstatt für ein
paar Groschen jeden Tag acht Stunden im Büro zu sitzen, würde sie bei ihm
echtes Geld verdienen, und für ihn würde es auch besser sein, einen
Familienangehörigen anzustellen als einen Fremden, der ihm auf die Finger
guckte. Du bist noch jung! Er maß Jadzia mit den Blicken und vielleicht
erblickte er in dem fülligen, schon leicht erdwärts erschlafften Körper noch
eine Spur der Zwölfjährigen, deren Reize ihn vor dreißig Jahren in Zalesie so
beeindruckt hatten. Du bist jung, kommst unter Leute, dann vergisst du
schneller, warum immer nur zu Hause hocken und über Erinnerungen brüten?
Ausbrüten wirst du nichts dabei! Er klopfte Jadzia auf den Schenkel und
umfasste mit dem anderen Arm Dominika, die durch das dünne Hemd seine weiche,
fast weibliche Brust spürte und seinen sauren Schweißgeruch roch. Jadzia
fürchtete sich ein bisschen vor der Veränderung, doch im Büro flüsterten sich
die Frauen immer wieder hinter vorgehaltener Hand das neue Wort »Umstrukturierung«
zu. Es ging das Gerücht, dass diejenigen, die keine entsprechende Qualifikation
hatten, gezwungen werden sollten, an Fortbildungskursen teilzunehmen - und das
im fernen Breslau! Möglicherweise würde man bei ihnen sogar Computer einführen.
Computer? Auch das noch! Jadzia hatte nicht die Absicht, irgendetwas
anzufassen, was sie nicht kannte. Veränderungen waren im Gange, eines Tages
wurden in der Sachbearbeitungsstelle II neumodische Jalousien angebracht, und
die braunen Leinenvorhänge, die zwanzig Jahre dort gehangen hatten,
verschwanden. Die Lage schien ernst, und an demselben Tag wurde Jadzia die
Stelle bei Krasnalex angeboten. Ihre verkrümmte Hand funktionierte vielleicht
nicht präzise genug, um Spritzen ohne Bluterguss zu setzen, aber im Bemalen der
Gartenzwerge war sie, wie sich zeigte, nicht schlechter als andere. Manchmal
rief Onkel Kazimierz sie ins Büro, das die Frauen aus der Malstube Sprechzimmer
nannten, und bat sie um Hilfe beim Ausfüllen eines Lieferscheins oder beim
Verbuchen von vier Säcken Gips, wovon zwei schwarz waren, also nicht
eingetragen werden dürften. Die Jahre, die sie mit dem Umsortieren von Papieren
im Büro verbracht hatte, waren nicht umsonst gewesen. Zwischen dem Zubereiten
türkischen Kaffees für den Herrn Büroleiter und andere Herren hatte Jadzia
gelernt, wie man die richtigen Dinge in die richtigen Rubriken einträgt. Sie
war geduldig und genau, auch wenn ihr die Phantasie fehlte. Nach mehreren
Wochen

Weitere Kostenlose Bücher