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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Walbrzych
verschwand, führte Piotr Zatryb seine Mission zu Ende und traf sich mit Jadzia
Chmura. Die begabte Tochter, von der er sprach, war ein anderes Mädchen als die
Dominika, die Jadzia kannte, deshalb sperrte sie ihre stachelbeergrünen Augen
weit auf, klapperte mit den grüngetuschten Wimpern und witterte eine List.
Wichen die von diesem Klappergestell ausgebreiteten Möglichkeiten nicht zu
weit von dem Pfad ab, auf dem sie Dominika sehen wollte? Würde das nicht
Schwierigkeiten und Nachteile mit sich bringen? War das nicht riskant und gefährlich?
Dem Vortrag, den der Storch ihr hielt, entnahm Jadzia nur, dass das Gymnasium
den Wert ihrer Tochter steigern konnte, und sie tröstete sich damit, dass
Dominika auch ohne die nützliche Schneiderlehre einen Erlend von Sinnen aus
Castrop-Rauxel heiraten und ihr Leben nach den Plänen der Mutter gestalten
konnte. Rechnen konnte Dominika tatsächlich, das hatte Jadzia auch schon
bemerkt, hielt es jedoch eher für eine praktische Fähigkeit als ein Talent. In
ihrer Welt konnte man Köpfchen, Muskeln oder Geld haben, aber Talent? Nein,
Talent kam eigentlich nicht vor. Jadwigas Oma, die Müllerin aus Brzezina,
hatte zwar sehr schön sticken können, aber das war nicht dasselbe wie Mathematik.
Der Klapperdürre redete vom Studieren. Nach dem Gymnasium würde sie zur Universität
gehen, zum Beispiel da nach Breslau. Ihre Dominika auf der Universität! In der
schönen Stadt Breslau! Jadzia verließ die General-Swierczewski-Schule, und
bevor sie noch den Babel erreicht hatte - das war wirklich nicht weit -, waren
die von Piotr Zatryb gesäten Samen des Stolzes bereits gekeimt und sprossen mir
der Geschwindigkeit von Wiesenschaumkraut im April. Am ganzen Körper spürte
sie dieses Wachsen. Ja, Jadzia wuchs selbst noch ein kleines Stückchen, das
Blut strömte schneller durch ihre kranke Hand. Nach dem Studium würde ihre
Tochter einen Deutschen als Mann kriegen, einen Arzt oder einen
Champignonzüchter, da würden allen auf Piaskowa Gora die Augen aus dem Kopf
fallen. O nein, nicht den erstbesten Fritz wird sie nehmen! Nicht so einen
Pfennigfuchser und Stümper. Im Fahrstuhl ragte Jadzia Chmuras Kopf schon ein
paar Zentimeter höher als sonst, und aus Nase und Ohren spross ihr frisches
Grün. Auf ihre Art und Weise seufzend sagte sie zur Lepka, tja, sie wisse noch
nicht, was daraus werden solle, aber ihre Tochter komme aufs Gymnasium, auf das
beste am Ort. So seufzte Jadzia unter Augenverdrehen immer dann, wenn sie Anlass
zu Freude und Stolz hatte. Schon als kleines Kind versteckte sie sich in der
Speisekammer, wenn jemand sie lobte, denn im Grunde ihrer Seele hatte sie das
Gefühl, dass sie es aus irgendwelchen Gründen nicht verdiente, und wenn sie
nicht sofort verschwand, würde sich das Lob ganz bald als Sport erweisen, und
sie selbst würde unter dieser Last zerbrechen. Stolz war ein Gefühl für
Ausländer, Oberärzte, Bourgeoise aus den Villen in Szczawno Zdröj, aber nicht
für die Maslaks aus Zalesie oder Brzezina. Nicht für Jadzia Chmura auf Piaskowa
Göra. Was sie gut beherrschte, war die einfachere Kunst der Angst vor plötzlichem
Erfolg, der dennoch verlockend war. Wenn Dominika in diesem Gymnasium bloß
nicht auf die Nase fiel!
    In Walbrzych
gab es vier Gymnasien, und Dominika bekam einen Platz in dem, das als das beste
galt und von Neidern »Oxford« genannt wurde. In dem ehemals deutschen Gebäude,
das vor dem Krieg eine Knabenschule beherbergt hatte, standen noch die Gläser
mit alten Präparaten, deren schiere Menge Anlass gab anzunehmen, dass die kleinen
Deutschen ein ansehnliches Wissen auf dem Gebiet der Anatomie besessen hatten,
und der Gedanke daran, wie einige es Jahre später zur Anwendung gebracht haben
mochten, ließ erschauern. In Formaldehydlösung eingelegt schwammen Innereien
von Menschen und Tieren, die jede Farbe verloren hatten und aussahen, wie der
Tod vielleicht aussehen mochte, wenn man ihm jede romantische Maske abnahm -
ein bläulicher Klumpen mit einer unleserlichen Aufschrift in Latein. Da lag ein
Blumenkohl von einem Hirn mit poriger Oberfläche, aus dem jedes Mal, wenn ein
neugieriger Gymnasiast das Glas schüttelte, Flocken fester Subsranz aufstiegen.
Menschliche Nieren sah man dort, zersetzt von einer ebenfalls verewigten
schrecklichen Krankheit: Auf den beiden Nierenbohnen hatten sich Schichten
einer Masse aus wuchernden Bläschen gebildet, die an den Rändern wie verbrannt
erschienen. Eine Leber, die einer Schweine- oder

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