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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Veränderung nachzudenken, und die
Jahre im Krieg hatten ihn gelehrt, dass dem Nachdenken nichts so förderlich ist
wie das Trinken in Gesellschaft anderer Männer. Er stand vom Tisch auf,
seufzte, sagte: Dann geh ich mal was trinken, und das tat er auch. Im Sosenka
wurde er von seinen Kameraden belehrt, er solle es sich nicht zu Herzen
nehmen, man könnte ja nicht sicher sein, ob Zofia Schuld hätte, er solle sich
nur ruhig ins Bett mir ihr legen, aber nicht ohne ihr vorher für alle Fälle mir
dem Uniformgürtel den Arsch zu versohlen, und so machte sich Maciek in besserer
Stimmung auf den Weg nach Hause. Er ging die Straße an der Pelcznica entlang
und dachte, irgendwie werde es schon in Ordnung kommen. Und wenn er erst neue
Kaninchen kaufen würde, anstelle derer, die Zofia verspeist hatte! Er war müde,
die Beine gehorchten ihm nicht so recht, und als er ein Auto näherkommen sah,
stolperte er in die Mitte der Fahrbahn und streckte die Hand aus, um es anzuhalten.
Er hatte es jetzt eilig, zu seiner Frau nach Hause zu kommen. Der Fahrer,
Kazimierz Maslak, war gerade dabei, den Gewinn aus seinem letzten Geschäft zu
errechnen. Was für Herrlichkeiten konnte man heute für Selbstgebrannten
erhandeln, nur mit den Juden, die nach einem Versteck suchten, hatte er mehr
verdient. Er bemerkte nicht das Erstaunen in den blauen Augen des Soldaten, der
offenbar meinte, sehen hieße auch gesehen werden. Es krachte, und Maciek flog
in Richtung Pekznica, in eine grünliche und schreckliche Finsternis, und konnte
nur noch ein paarmal mit den Armen wedeln, als wolle er Mücken verscheuchen.
Kazimierz hielt an, untersuchte die Blutspuren an seiner verbeulten Stoßstange,
doch außer den verlaufenden Kreisen auf dem Wasser war nichts mehr zu sehen.
Eine Leiche, dachte er, oder besser gesagt: ein Toter, und fuhr weiter. Den
Obergefreiten Maciek Maslak, den Soldaten, dem es in sechs Jahren gelungen war,
keinen einzigen Menschen zu töten, und der während des größten Kriegs der
Weltgeschichte vor allem an Kaninchenzucht dachte und sogar in sowjetischer
Gefangenschaft ununterbrochen davon redete, ihn trug die Frühlingsströmung
davon. Erst im Spätsommer fand man die Leiche an der abgebrannten Mühle seiner
Schwiegereltern. Mit hellgrünen Wasserlinsen überzogen und im Mühlrad verhakt,
tauchten seine Überreste auf und unter, und die Fische nagten daran.
    Zofia brachte
ein Mädchen zur Welt, das vorläufig keine Spur von Ähnlichkeit mit Ignacy
hatte, doch mit den stachelbeergrünen Augen der Großmutter gesegnet war. Zofia
gab ihr den Namen Jadwiga, nannte sie Jadzia und konnte sie beim besten Willen
nicht liebgewinnen. Das Kind, offiziell als posthum geborener Nachkomme von
Maciek Maslak anerkannt, wuchs heran, still, teigig, schwerfällig, und mit
Grausen im Herzen suchte die Mutter nach Spuren einer Ähnlichkeit mit Maniek
Gorgöl. Von den Augen abgesehen hatte das Mädchen keinerlei besondere
Eigenschaften. Mal wollte es Zofia scheinen, dass sie einen hübsch
geschwungenen herzförmigen Mund hatte wie sie selbst, dann wieder fühlte sie
sich an Ignacys schmalen Mund erinnert und zitterte vor ungewisser Freude,
doch zwischendurch gab es Tage, an denen im Gesicht der Tochter Maniek Gorgöls
schneckenartige Lippen erschienen. Dann rief sie: Komm mal her zu mir ans
Licht, nahm sie fest beim Kinn und musterte im Schein der neuen elektrischen
Lampe, ein Wunderding, das sie stets aufs Neue in Erstaunen versetzte, das konturenlose,
verschwommene Gesicht ihres Kindes. Sie schnupperte an ihren dünnen fahlen
Haaren, die weich waren wie frisch gerupfter Flaum, und schnitt dabei eine Grimasse,
als prüfe sie Exkremente, ein ferner, flüchtiger, aber dennoch vorhandener
Gestank von verbranntem Fleisch schien ihr daraus in die Nase zu steigen. Du
verlauster Schmutzfink! schimpfte sie dann und bereitete ein Bad mit so heißem
Wasser, dass die mit Gewalt hineingetauchte Jadzia protestierte: Mama, das
bennt! Einmal erwischte sie Jadzia im Garten dabei, wie sie mit einem alten
Löffel ein Grab für die Katze grub, die nur noch ein Häuflein Fell und
Eingeweide war. Blitzartig kam Zofia der schreckliche Gedanke, dies sei der
Beweis, denn nur Gorgöls Tochter könnte imstande sein, ein Tier zu töten, das
von klein auf ihr eigenes war. Sie schlug sie ein ums andere Mal in das blasse
Gesicht, bis Blut aus der Nase des Kindes floss, und dann kam heraus, dass der
Hund der Cudzakows die Katze totgebissen hatte. Nach fünfjährigen Versuchen
hatte

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