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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Männlichkeit
steigern und wettmachen, was er durch das verkrüppelte Bein eingebüßt hatte. Es
war ja nicht eine x-beliebige Narbe, sondern sie stammte aus dem siegreichen
Kampf mit einem Feind des Vaterlands. Als sie damals an den auf dem Waldweg
liegenden Maniek Gorgöl herantraten, wirkte der erfolgreich außer Gefecht
gesetzt, doch bevor sie ihn so zurichteten, dass er sie anflehte, sterben zu
dürfen, und dabei Zähne und Namen ausspuckte, hatte er noch nach dem Messer
greifen können.
    Zofia empfing
Janek Kos unter dem Walnussbaum, wo sie Pilze zum Trocknen schälte; sie warf
einen Blick auf sein schlecht gebügeltes Hemd und dachte, dass er ja nicht
wissen konnte, wie sehr sie den Geruch des Kölnischwassers »Zorz« hasste. Sie
wies seinen Antrag zurück, bot dem Freier aber aus Mitleid einen Teller saure
Suppe mit Grieben an, was Janek Kos als Zaudern und Hinweis auf eine
zukünftige Zusage deutete. Deshalb kam er alle ein, zwei Jahre in das Haus am
Rande des Dorfes, immer mit praktischen Geschenken wie zum Beispiel einem Ring
Wurst oder einer Kalbsbrust, und wiederholte seinen Antrag stets in demselben
Ausgehhemd und mit denselben Worten. Für Jadzia hatte er mal einen Lutscher,
mal eine Papiertüte mit ein paar Bonbons, und fand, dass das Kind mit seinen
hellen Augen und dem Entenflaumhaar ihm ein klein wenig ähnlich sah. Er könnte
ihr Vater sein, wenn Zofia nur wollte. Einmal, zu Ostern, brachte er Zofia ein
nicht alltägliches Geschenk: einen ganzen Pappkoffer voller elegant in
Scheiben geschnittener Schinken, Trockenwürste, Leberwürste, Rollschinken,
verschiedenerlei Geselchtem, alles verziert mit hübschen Rosetten aus Möhren
und Gemüse. Sein Cousin aus Skierniewice, der Parteikarriere machte, hatte die
Tochter eines Zahnarztes geheiratet und eine Hochzeit für zweihundert Gäste mit
bezahltem Orchester ausgerichtet, wovon man noch ein Jahr lang sprach. Manchen
geht's gut! Danach beklagte sich Janek Kos in der Wirtschaft Sosenka, dass
Maslaks Witwe hochmütig und starrsinnig sei. Nicht einmal eine ganze Garnitur
vorzüglichster Delikatessen könne ihr Herz erweichen. Man erklärte ihm, dass mit
Zofia Maslak offenbar etwas nicht stimmte, denn sie hatte weder den alten
Cudzak genommen noch den jungen Kukutka, der doch Eisenbahner war, eine gute
Partie, Züge würden ja immer fahren. Und nicht nur das - sogar den
stellvertretenden Direktor der Wachstuchfabrik aus Kocierzowa habe sie
abgewiesen, als der um ihre Hand anhielt und sie sofort, auf der Stelle und
sogar mit dem Kind nehmen wollte, doch das alles konnte Janek Kos nicht
trösten.
    Mit
schwankenden Schritten kehrte er nach Hause zurück, versetzte seinem Hund
einen Tritt, als dieser ihm in seiner nie versiegenden hündischen Hoffnung
entgegenstürzte, und fiel in sein Bett, wo ihn treu und stets wachsam die
Schlaflosigkeit erwartete, die ihn seit dem Krieg plagte. Er lag mit offenen
Augen da, die Zunge wurde ihm schwer. In Janek Kos' Haus war es zu jeder
Jahreszeit stickig, als sei es nicht von Luft erfüllt, sondern von einem
Wattebausch. Es stanken das Benzin für den Traktor in dem Kanister, den er
unter dem Tisch aufbewahrte, und der Urin auf den Hosen, die selten gewaschen
wurden, weil Waschen die Hosen verschleißt. Und wer hätte sie ihm auch waschen
sollen?
    Kurz nach dem
Krieg hatte Janek Kos den Zwillingen aus Kocierzowa Arbeit in seinem Haushalt
gegeben. Die beiden obdachlosen, weißblonden mageren Schwestern waren immer
zusammen und blickten auf die Welt aus vier identischen wasserhellen Augen.
Wenn jemand nur eine Person als Haushilfe anstellen wollte, erklärten sie sich
bereit, die Bezahlung und den Teller Suppe zu teilen. Sommers wanderten sie von
Hütte zu Hütte in Zalesie, Brzezina und Kocierzowa, und zum Winter verschwanden
sie, um zur Zeit des Eisgangs wieder aufzutauchen. Mit ihrem leichten Geruch
nach Schimmel und Feuchtigkeit und Laub in dem verfilzten Haar gingen sie dann
Arm in Arm durchs Dorf und riefen unisono über den Zaun, ob man keine Arbeit
für sie habe. Sie sahen verschlafen aus und rieben sich dauernd die Augen,
vielleicht schliefen sie mit den Dachsen in einer Sandgrube an der Pefcznica
und wurden erst vom Krachen des Eises geweckt. Die Schwestern waren nicht
voneinander zu unterscheiden, deshalb hielt es niemand für nötig, sich ihre
Namen zu merken, die sie irgendwann sicher mal gehabt hatten, aber wie heißt
man bei einem unbenutzten Namen? Die Leute im Dorf nannten die Zwillinge
entweder »die«

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