Bator, Joanna
er sich von der in seinen Hals schneidenden Kette reißen können und die
Folter seiner Gefangenschaft in einer mörderischen Raserei abreagiert, bis
Cudzak ihn schließlich mit dem Spaten erschlug. Schuld oder nicht schuld, das
war auf Vorrat, sagte sie zu dem verunsicherten Mädchen und wusch ihm das
Gesicht mit brühheißem Wasser, was sie neben Essig für die beste Medizin gegen
Schmutz hielt.
Als Jadzia
heranwuchs, änderte sich nicht viel. Zofia träumte insgeheim davon, ihre stille
Tochter könnte plötzlich verborgene Begabungen offenbaren; sie würden aus ihr
fahren wie Springteufelchen aus der Kiste, und es würde klar, dass ein so
außerordentliches Mädchen nicht Maniek Gorgols Tochter sein konnte. Was für
eine Außerordentlichkeit das sein sollte, hätte Zofia nicht zu sagen gewusst,
doch sie würde sie sofort erkennen, der Haken war nur, dass nichts Derartiges
zutage trat. Es trat allerdings auch keine nach verbranntem Fleisch stinkende
Boshaftigkeit zutage, was ein eindeutiger Beweis für die Vaterschaft Gorgols
gewesen wäre. Die Mutter betrachtete ihre undefinierbare Tochter, zuckte ratlos
mit den Achseln und machte ein Gesicht, als wollte sie fragen: Was zum Teufel...?
Zofia wusste,
dass der Ausländer, der sie eines Sommers so unerwartet besucht hatte, in
irgendeinem Zusammenhang mit Ignacy stand. Im Gegensatz zu Jadzia erkannte sie
seine Jugend unter der allzu erwachsenen Kleidung und das noch nicht lange an
Rasuren gewöhnte Gesicht unter dem Hut. Sie erkannte die langen Sätze voller
Seitentürchen und plötzlicher Haken, wie sie sonst nur der Pfarrer benutzte,
und die Hautfarbe, die an ganz leicht gebräuntes Brot erinnerte. Er hatte
Jadzia angeschaut, als rechnete er in Gedanken etwas aus, und Zofia hatte den
Kirschentkerner bearbeitet, um ihr Herzklopfen zu übertönen. Würde der
Ausländer in Jadzia eine Spur von Ignacy erkennen, die sich unter der weichen
Hülle der Unähnlichkeit verbarg? Die Enttäuschung des Ausländers war wie eine
Ohrfeige, denn Zofia sah, dass er in Jadzia nicht das sah, was sie selbst so
gerne finden wollte.
Jadzia Maslak
wuchs heran in dem Glauben, ihr Vater sei in der Pelcznica ertrunken, was sie
nachteilig von anderen Kriegshalbwaisen aus Zalesie, Kocierzowa und Brzezina
unterschied, die stolz Väter vorzuweisen hatten, die von den Deutschen
erdolcht, erschossen, aufgehängt und verbrannt worden waren. Als Erwachsene
gelangte sie zu dem Schluss, dass Maciek Maslak nur aus dem Krieg zurückgekehrt
war, um sie zu zeugen. Sie begriff, dass der Mangel an mütterlicher Liebe
irgendwie mit der Tatsache zusammenhing, dass sie, Jadzia, zum Tod dieses
pausbäckigen Burschen beigetragen hatte. Auf der einzigen Fotografie, die es
von ihm gab, blickte Maciek Maslak mit einem solchen Entsetzen ins Objektiv,
als stünde er vor einem Erschießungskommando, und Jadzia konnte sich nicht
vorstellen, wie er sie angeblickt hätte. Immer erschien er ihr zu jung, um
Vater zu sein, und seltsam wehrlos. Von Kindheit an ersann Jadzia eine
heldenhafte Kriegsgeschichte, um ihren toten Vater vor der Nichtexistenz und
dem Mangel an Liebe zu beschützen, vor dem sie sich selbst nicht schützen
konnte. Mein Vater war ein Held, erzählte sie in der Schule, er hat hundert
Deutsche auf einen Schlag getötet. Er flog im Flugzeug und schoss vom Himmel
auf sie herab, mit Leichen übersät war das Feld, vor Angst machten die Fritze
sich in die Hosen. Er war unglaublich klug und mutig!
Als Jadzia nach
Walbrzych gegangen war und geheiratet hatte, wurde Zofia klar, dass sie ihr
ganzes Leben für ein Kind geopfert hatte, das zu lieben sie nie gelernt hatte;
was ihr blieb, war Einsamkeit in einem Haus voller Holzwürmer und verrottender
Möbel. Nur für ihren treuesten Verehrer, Janek Kos mit der Narbe im Gesicht,
die aussah wie eine aufgeschnittene Wurst, war sie noch immer die schönste Frau
der Welt, sonst hätte er sich eingestehen müssen, dass er Jahre auf sinnlose
Bemühungen vergeudet hatte. Zum ersten Mal erklärte er sich Zofia ein halbes
Jahr nach Maciek Maslaks Tod, als sie in Hoffnung war und Janek Kos Hoffnungen
hegte, während er Hemd und Ansprache zurechtlegte. Von einem Cousin in
Skierniewice bekam er eine noch aus Vorkriegszeiten stammende Flasche
Kölnischwasser »Zorz« und bespritzte sich ausgiebig damit, obwohl seiner
Meinung nach Parfüms nur Weiberzeug waren. Janek Kos gaukelte sich sogar vor,
die schreckliche Narbe auf seiner Wange könne den Eindruck von
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