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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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gegessen hatte, werde er das auch tun, das
heiße ja wohl, dass es nichts Besseres gebe. Wäre er ein halbes Jahrhundert
später in Amerika zur Welt gekommen, hätte er mit seiner Idee einer Bibeldiät
ein Vermögen machen können, so aber ging er nur seiner Frau Leokadia auf die
Nerven. Er stellte den Eimer auf den Boden und rief: Leolein, schau, wie viel
ich heute gefangen habe! Er sollte nie erfahren, dass weder seine Gattin noch
sein Sohn Fisch mochten und seinem Anglerglück insgeheim ein Ende wünschten.
Ach was, alles Gerede, man muss sie nur gut abschrubben - so zerstreute er ihre
Zweifel, und die Familie aß sich satt an Fisch mit rohem Sauerkraut. Das Tiefkühlfach
ihres Kühlschranks Marke Minsk war mit steinharten Fischkörpern angefüllt, und
im Keller stapelten sich die Gläser mit Sauerkraut. Adas bemühte sich, seinen
Eltern zu gefallen, er zerteilte das wässrige Fleisch säuberlich mit zwei
Gabeln und wartete, dass der Vater das Skelett auf seinem Teller sehen und
sagen würde: Adas, du bist ein Blitzbub.
    Ingenieur
Wawrzyniak arbeitete in der Breslauer Waggonfabrik Pafawag, doch er mochte
seine Arbeit nicht besonders. Wie für seine Eltern, die als Übersiedler aus
Lemberg hierhergekommen waren, sind auch für ihn Reisen immer mit der Tragödie
von Vertreibung und Besitzverlust verbunden gewesen und nicht mit dem
Vergnügen, neue Orte kennenzulernen. Anfangs mied er nur längere Reisen, später
wollte er nicht einmal mehr bis zum Markt spazieren, wo Leokadia so gern in der
Cocktailbar Vitaminka mit dem Strohhalm Eiskaffee trank, und schließlich ging
er nicht weiter als bis zur Oder, von wo aus er sein Zuhause im Blick behalten
konnte. Die immer wieder aufs Neue geschürte Angst wucherte in seinem Herzen
kräftig und giftig wie Bärenklau. Sie wand sich um seine Leber und drückte ihm
das Herz ab, kroch an seinen Ohren heraus und schwoll auf seiner Zunge; dauernd
verzog er das Gesicht, als hätte er Kernseife im Mund. Was hat es mir genützt,
dass ich Waggons baue, sagte er immer, wer weiß, vielleicht stecken sie uns
eines Tages wieder in einen Zug und bringen uns weiß der Teufel wohin. Seine
Unwilligkeit, das Zuhause zu verlassen war so groß, dass er nicht einmal mit
seiner Familie in den ihm zustehenden Urlaub fuhr; jedes Jahr brachte er seine
gutaussehende Frau Leokadia und Sohn Adam nur bis zum Bahnhof und verabschiedete
sich dort von ihnen, als führen sie nicht für zwei Wochen nach Swinoujscie,
sondern ans andere Ende der Welt, und auch das nicht freiwillig. Als Adas älter
wurde, zog er es vor, mit der katholischen Jugendgruppe in die Berge zu fahren,
anstatt mit seiner Mutter ans Meer, und legte dabei die beunruhigende Neigung
an den Tag, sich nicht nur einmal, sondern mehrmals im Jahr von zu Hause
fortzubewegen. Hat der Hummeln im Hintern, oder was? regte sich sein Vater auf
und redete seiner Frau die Notwendigkeit sommerlicher Sonnenbäder an der Ostsee
mit der Begründung aus, es sei doch besser, zusammen zu Hause zu sein als jeder
an einem anderen Ort. Ingenieur Wawrzyniak war sich im Klaren, dass seine
Furcht vor dem Reisen eine unmännliche Schwäche war, und fühlte sich
verpflichtet, seiner Familie sowie näheren und ferneren Bekannten zu erklären,
wenn er nur wollte, dann könnte er nach Bulgarien und Rumänien fahren, ja, er
würde sogar mit dem Flugzeug fliegen, doch leider verhalte es sich so, dass
der Arzt jeden Klimawechsel seiner kranken Nieren wegen für geradezu
mörderisch halte. Der Vater fürchtete, seine Schwäche könnte vom Sohn ererbt
sein, der von Kindheit an empfindlich und kränklich gewesen war. Ingenieur
Wawrzyniak glaubte, einen Jungen — trotz vieler Versuche, ein Pärchen
heranzuzüchten, blieb ihnen nur ein Junge beschieden - müsste man zum Manne
erziehen, was gleichbedeutend war mit dem Ersticken jeder Heulsuserei und
übermäßigen Sentimentalität, die bei einem Mädchen oder auch einer
ausgewachsenen Frau wie Leokadia keinen Nachteil darstellten. Diese
Verburschung von Adas war nicht leicht, denn die im Zorn erhobene Vaterhand
musste zuerst nicht nur ihre eigene Schwäche überwinden, sondern auch den
Widerstand in Gestalt von Leokadia; ihr Schwung erlahmte, bevor sie auf den
Sohneshintern traf. Der kleine Adas erwies sich als besonders erregbares und
empfindliches Kind, das ein unentwegtes Bedürfnis nach Zärtlichkeit an den Tag
legte; was war es da für eine Hölle, ihn zu einem echten Mann zu dressieren,
wie er im Buche steht. Doch mit und

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