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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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umgekehrte Sorge machte, ob mit seinem Sohn auch alles in Ordnung war.
Das feine Gehör hatte Adas von seiner Mutter geerbt, die in ihrer Jugend von
einer Karriere als Sängerin geträumt und eine Zeitlang sogar bei einer alten
Lemberger Diva in einer mit riesigen Farnen und verblüffend positionierten
Spiegeln vollgestopften Villa in Biskupin Unterricht genommen hatte, doch
entweder erwies sich Leokadias Talent als zu klein oder ihre Bemühungen als
unzureichend, jedenfalls wurde sie nicht am Konservatorium aufgenommen, sondern
landete schließlich als Tontechnikerin beim Radio. Wenigstens in der Nähe der
Musik, so tröstete sie sich, und nur manchmal, sonntags, wenn ihr Gatte
angelte, legte sie die Hand unter den Busen und stellte sich, lautlos ihre
Lippen bewegend, vor, sie stünde auf der Bühne der Breslauer Oper oder, wer
weiß, gar der Mailänder Scala. Von diesen lang begrabenen Träumen erzählte sie
ihrem Sohn, der nicht wusste, ob sie diese Träume für ihn geopfert und
aufgegeben hatte, oder ob sie sie als etwas bewahrt hatte, das sich für ihn,
für sein persönliches Fortkommen als nützlich erweisen könnte. Vielleicht war
seine Mutter der Grund, dass er sich von musikalisch begabten Frauen angezogen
fühlte und sich sogar ein paar Mal mit einer Klassenkameradin verabredete, die
Flöte spielte.
    Adam Wawrzyniak
absolvierte das Breslauer Priesterseminar und war beim Abschluss seines
Studiums ein energischer junger Mann, schlank und sehnig, mit hellgrauen
Augen, dunkelblondem Haar, das im Sommer heller wurde, und einem zur
Rotwangigkeit neigenden Teint. In einem Anblick, in der Musik und in den
Worten suchte er die Gefühlsbewegung, nicht die Kunstfertigkeit, und er verfiel
leicht in Zustände melancholischer Zerrissenheit, unter deren Oberfläche sich
Schwäche und Unentschlossenheit verbargen. Es reichte ein zufälliges Bild, der
Blick in eine Wohnung, in der sich gerade eine Familie zum Abendessen an den
Tisch setzte, oder eine Frau, die mit ihrem Einkaufsnetz voll Kartoffeln, Kohl
und Brot zum Autobus lief, und schon unterspülte eine Woge von Sehnsucht und
Groll die Sicherheit seiner Berufung. Doch wenige Stunden später, umnebelt vom
Weihrauchduft der Kirche und zur Messe umgekleidet, phantasierte er von Rom und
dem Vatikan, in seinen großen glänzenden Augen spiegelte sich der Glanz der
Kerzen, und die Frauen seufzten: Was haben wir für einen schönen Kaplan abbekommen!
Dem jungen Geistlichen gelang es, die ernsteren Sünden des Fleisches zu
vermeiden, während er die kleineren alltäglichen Fehltritte offen und
detailliert beichtete, um noch einmal den bitteren Geschmack der Schuld zu
kosten, der nach und nach in der Süße der Erleichterung aufging. Als er zu
seiner ersten Gemeinde nach Walbrzych berufen wurde, erfasste ihn ein großer Arbeits-
und Wohltätigkeitseifer, in seiner Sprache wimmelte es von Gotteslämmern,
Kreuzen, die man tragen musste, und himmlischen Königreichen. Er redete viel
von der Nachahmung Christi, obwohl er selbst ganz banale Unannehmlichkeiten
kaum ertrug, wie zum Beispiel ein angebranntes Rührei, das niemand so
zubereiten konnte wie seine Mutter. Hochwürden Postronek begrüßte erleichtert
den jungen Mann mit der Gitarre auf dem Rücken, Ersatz für den Vikar, der von
einer Pilgerreise nach Lourdes nicht zurückgekehrt war. Er betraute ihn mit so
vielen Dingen, wie er vor seinem Gewissen verantworten konnte, und widmete sich
selbst der Pflege seines Blumengartens und dem Studium der Viten heiliger
Märtyrerinnen, die seinen Predigten Farbe verliehen. Die größte Freude und Erfüllung
jedoch bereitete Kaplan Adas, wie man ihn bald nannte, die Leitung der
katholischen Jugendgruppe und der Religionsunterricht für Teenager in einer
kleinen Halle am Friedhof, die früher als Totenkapelle gedient hatte und immer
noch von einem süßlich-fauligen Leichengeruch durchweht war. Er stellte fest,
dass die Kinder seine Worte noch nicht verstanden und die Großen nicht mehr; an
Ersteren perlten sie ab wie Wasser, an Letzteren prallten sie ab wie Kiesel von
einer Fensterscheibe, während die nicht mehr Kleinen, aber noch nicht Großen
sie aufsogen wie Schwämme. Er stellte fest, dass er am besten im Halbprofil
aussah, mit leicht nach hinten geneigtem Kopf, seine langen Wimpern warfen
dann einen Schatten auf die blassen Wangen. In dieser Pose stand er am Fenster
und sprach, jedes Wort war wie Gold, und er bebte wie im Fieber, wenn er die
Wöge spürte, die ihm von der

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