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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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würde, das alles zurückzuzahlen. Seine Frau erkrankte an
Krebs und starb innerhalb von drei Monaten, was Ignacy Goldbaum wieder einen
Grund gab zu Diskussionen mit Gott, doch er hegte keinen Groll. Das Leben mit
ihr war hell und klar gewesen, und die Spuren, die sie hinterlassen hatte,
machten es ihm möglich, mit einem Lächeln an die gemeinsam verbrachten Jahre
zurückzudenken. Zofia war es, die ihm keine Ruhe ließ. Er träumte von ihr, sah
sie mit einem Apfel in der Hand oder Kaninchen gebärend, die unter ihrem Rock
hervorhüpften und die er vergeblich zu fangen versuchte. Eines Tages beschloss
er, ihr einen Brief zu schreiben.
    Zwei Monate
später kam die Antwort auf einem linierten Blatt Heftpapier. Verehrter Ignacy,
schrieb Zofia, zu Anfang meines Briefes möchte ich Dir mitteilen, dass ich
gesund bin, und mich nach Deinem Befinden und dem Deiner Familie erkundigen,
und Doktor Goldbaum las und weinte, wozu er mit zunehmendem Alter immer mehr
neigte. Sie bat um Entschuldigung, dass die Buchstaben so wacklig waren wie
die Stühle in ihrem Haus, aber ihre Augen seien sehr schlecht, und da sah er
plötzlich ihr helles Blau so deutlich vor sich wie vor all den Jahren, und das
gab ihm einen Stich ins Herz. Sie schrieb, das Wetter in diesem Frühjahr sei
schön, im Walde blühten so viele Leberblümchen, dass es ganz violett war, und
sie, ja, sie wüsste noch, aber er brauchte sich für nichts zu bedanken. Mit
ihrem dritten Brief schickte sie Ignacy ein Foto von Dominika in ihrem Garten.
Im Vordergrund Dominika vor einem Korb mit Äpfeln und mit einem Klettenblatt
auf dem Kopf, hinter ihr Jadzia, und noch weiter hinten, fast unsichtbar
zwischen den Dahlien, Zofia. Ignacy Goldbaum wusste, dass die verloren
geglaubte Vergangenheit zurückgekehrt war, denn das Mädchen auf dem Foto sah
aus wie seine amerikanische Tochter.
    Da hast du
herumgeschnüffelt und herumgeschnüffelt und dann so was rausgeschnüffelt, und
ich, wie steh ich jetzt da? Jadzia brach in Tränen aus, als herauskam, dass der
Stammbaum der Familie Chmura verzweigter war, als es den Anschein gehabt hatte.
Nicht genug, dass Jadzia so früh ihren Mann verloren hatte, nun wurde sie auch
noch des Vaters beraubt, den sie nie gekannt hatte. Was für ein Verlust, der
sich nicht einmal beweinen ließ, denn an der Stelle ihres Vaters Maciek, des
Helden, erschien ein ihr völlig unbekannter Vater auf der Bildfläche, ein Jude
vom Dachboden. Und dazu noch aus Übersee, aus Amerika, einem sogenannten
Pasadena. War es möglich, dass sie, Jadzia, nichts Böses ahnend Halbjüdin war?
Dass das niemand bemerkt hatte? Dieser Doktor Rosen, klar, das wusste jeder,
man sah es gleich am Gesicht, dass er kein Hiesiger war, so unpolnisch im
Aussehen, italienisch fast. Und außerdem Arzt. Das sind sie immer — Arzt oder
sonst Anwalt oder Geschäftsleute. Aber sie, Jadwiga Chmura?
     
    ***
     
    Die Schwarze
Madonna in der Kirche der Unbefleckten Empfängnis in Szczawienko schielte
leicht, und um ihren Mund lag ein Lächeln, das zwar traurig, doch auch
irgendwie spöttisch wirkte. Die Kirche selbst mochte gähnend leer sein, vor der
Madonna war immer jemand. Vielleicht drei alte Weiblein mit unter dem Kinn
geknoteten Kopftüchern, vielleicht Mutigere, die allmählich auf flache
Mohairmützen umgestiegen waren. Mit einer Drahtbürste gegen den Strich
gebürstet und von unten mit einer Seite der Walbrzycher Tageszeitung verstärkt.
Die Bekopftuchten zischelten dann: Habt ihr die alte Spalkowa gesehn, wie die
sich mit dem Mohair-Barett aufgedonnert hat? Die ist ja nicht mehr bei Trost.
Sie grüßten sich, Gelobtsei, achmanhatsnichleicht. Mit ihren Taschen wie Särglein
und Rosenkränzen, die ihnen wie Knöchelchen durch die Finger rasselten,
sammelten sie sich vor dem Bild, zündeten Kerzen an, hatten einen Kummer, eine
Bitte. Gelobtsei, achmanhatsnichleicht, bittefüruns! Sie beteten zur Schwarzen
Madonna so wie sie Erbsen enthülsten, bittefüruns, bittefüruns, in den Hülsen
ihrer Bitten lagen die rohen Kerne von Anklage und Groll mit ihrem säuerlichen
Geschmack. Bittefüruns, wiederholten sie immer wieder in der Maiandacht und
dachten an Rechnungen, Kränkungen, Abrechnungen mit jemandem, mit dem sie ihre
Kränkungen nicht mehr abrechnen konnten, weil er schon tot war, achmanhatsnichleicht,
Bittefüruns. Doch es kamen auch Jüngere, die weniger Geduld hatten, zwischen
der Arbeit außer Haus und der Königsherrschaft in der Küche kamen sie auf einen
Sprung vorbei, wie bei

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