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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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ohne Buch sah es eher danach aus, dass er
das Zeug zu einem echten Mann gar nicht hatte. Ingenieur Wawrzyniak spuckte ins
graue Wasser der Oder und überlegte, ob nicht vielleicht gemeinsames Angeln ein
Ergebnis zeitigen würde, doch jedes Mal gelang es Leokadia, den Sohn unter dem
Vörwand von Halsweh zu retten, das die Kühle am Fluss zweifellos verschlimmern
würde.
    Als Adas im
Alter von drei Jahren bei der kirchlichen Maiandacht in Ohnmacht fiel und
seinen Eltern danach erklärte, der Gesang sei so schön gewesen, gelangten die
Eheleute Wawrzyniak zu der Überzeugung, in ihrem Kind sei die Berufung zum
geistlichen Stand erwacht, und behandelten es fortan, als stecke in seinem
blassen Körper ein goldenes Ei. In Leokadias Augen hatte die Empfindsamkeit
des Sohnes geradezu mystische Eigenschaften, seine leichte Tölpelhaftigkeit
wurde zu der einem zukünftigen Priester angemessenen Zartheit und
Vergeistigung. Vor Verwandten und Bekannten sagte sie: Ach, von klein auf schon
steckt ein Priester in ihm, und der Kleine plapperte ihr nach, dass er
Priester werden wollte, vielleicht Missionar, und nach einiger Zeit glaubte er
es selbst. Er war gerne Ministrant und Chorknabe, die ihm zuteilwerdende
Aufmerksamkeit und das Lob, das er wegen seiner Stimme und seines properen Äußeren
einheimste, bereiteten ihm eine solche Wonne, dass er Gänsehaut davon bekam.
Er spürte einen Kloß im Hals, auf dem ganzen Körper richteten sich die feinen
weißen Härchen auf, die seine mageren Gliedmaßen und den Rumpf wie Schimmel bedeckten.
Bald gingen ihm diese Anwandlungen von Hochmut, die er mit viel löblicheren
Gefühlen verwechselte, in Fleisch und Blut über, und er wurde süchtig nach den
Schauern, die sie ihm bereiteten. Schon vor dem Stimmbruch begann er mit der
begnadeten Stimme eines Priesters zu sprechen; noch früher hatte er es sich
zur Gewohnheit gemacht, in der Kirche aufgeschnappte Archaismen wie
»selbdritt« und »wahrlich« einzuflechten, wenn er redete, und Leokadias blaue
Augen füllten sich mit Tränen des Stolzes.
    Die Aufgabe der
Mama war es, ihn auf dem Weg zum Ruhm zu hätscheln, während der Papa darüber
wachen sollte, dass er nicht vom Wege abkam, weshalb an der Tür von Adas' mit
Sperrholzwänden abgetrennten Zimmer eine Geißel hing. Diese bestand aus einem
Stück Einmachgummi, der geschickt an einem Holzschaft befestigt war. Die
Sperrholzwände reichten nicht bis an die Decke, und Ingenieur Wawrzyniak konnte
jederzeit auf einen Schemel steigen und von oben ins Zimmer seines Sohnes
blicken, um zu sehen, ob er nicht zufällig gerade etwas Strafwürdiges machte.
Sein Kopf mit den dünn über die Glatze frisierten Haaren erschien über dem Rand
wie im Puppentheater, und Leokadia zog die Fäden. Die Geißel sollte den Sohn
bei Abwesenheit des Vaters an die zornige Hand erinnern, die Gerechtigkeit
schafft, und an das Auge, das alles sieht. Ich habe ihm insgesamt nur viermal
richtig den Allerwertesten versohlen müssen - so brüstete sich Ingenieur Karol
Wawrzyniak mit seinem Sohn, und man konnte wirklich an einer Hand abzählen, wie
oft Adas solche Prügel bekommen hatte, dass es Spuren hinterließ. Die Eltern
verbuchten das als offensichtlichen Beweis für das angeborene edle Gemüt ihres
Einzelkinds sowie für ihr elterliches Talent. In der Regel musste der Vater
den Sohn nur die Geißel riechen lassen, um jeden Anflug von Rebellion im Keim
zu ersticken; für den Sohn wird der Geruch von Gummi bis ans Ende seines Lebens
mit dem Vater und später mit Gott verbunden sein. Der alte Wawrzyniak hielt
sich eisern an die Prinzipien der strengen Zucht. Da gab es kein
Sich-gehen-Lassen! Leokadia war es, die ihrem Mann die Rolle des Peinigers in
Erinnerung rief, sie stupste ihn in den Rücken: Geh und bestraf ihn!, und dann
steckte sie selbst den Kopf unter ein dickes Federkissen. Wenn ihr Gatte am
Sonntagmorgen angeln ging, erlaubte sie dem nach Zärtlichkeit lechzenden Sohn,
in ihr Bett zu kommen. Während dieser für sie beide süßen Stunden erklärte sie
dem an ihre Brust geschmiegten Adas, dass der Papa streng sei, weil er sein
Bestes wollte, doch Mama habe ihn am liebsten auf der Welt, sein Köpfchen, die
Händchen und sein Bäuchlein. Adas konnte sicher sein, dass er über die Leiter
der Mutterliebe aus jeder Klemme finden würde, Mama würde ihn auffangen, wenn
er stolperte, sie würde ihn nach den Hieben des Vaters herzen und mit
Süßigkeiten füttern, und wenn er zu ertrinken drohte, würde sie ihm

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