Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
Vom Netzwerk:
verliebten Jugend entgegenströmte. Die Mädchen von
Piaskowa Göra zu betrachten, die das Haar von der ersten Dauerwelle versengt
hatten und Perlmuttglanz auf den Lippen trugen, bereitete Kaplan Adas ebensoviel
Wonne wie die Erleichterung, die er verspürte, wenn er diese kleine Sünde
gebeichtet hatte.
    Im Gegensatz zu
den Religionsstunden von Hochwürden Postronek und der alten Schwester
Agnieszka erfreute sich der Unterricht bei Kaplan Adas außerordentlicher Beliebtheit,
die allerdings nicht nur auf seine Leidenschaft beim Verkünden von
Glaubenswahrheiten zurückzuführen war, sondern mindestens so sehr auf sein
Gitarrenspiel, insbesondere beim progressiven Repertoire, zu dem auch Lieder
von Stachura und Kaczmarski gehörten. Jede Religionsstunde endete mit einem
kleinen Konzert von Kaplan Adas, bei dem sich die besseren und schlechteren,
kühneren und weniger kühnen Stimmchen der Teenager seinem zunehmend sicheren
Tenor anschlossen und mit ihm sangen: Reiß der Gitter
Zähne aus den Mauern, oder auch Los, Bruno, gehn wir auf ein Bier, bei den Kumpels in der Kneipe fehlen
nur noch wir. Bevor er letzteres Lied anstimmte,
ging Pfarrer Adas zum Fenster und schaute hinaus, als wollte er sichergehen,
dass niemand vor der Katechetenhalle lauschte, denn - so sagte er, seiner
geliebten Jugend zuzwinkernd, - wenn Hochwürden erführe, was wir hier singen,
dann würde es uns schlecht ergehen. Die Luft ist rein! verkündete er den von
dieser Verschwörung begeisterten Teenagern, setzte sich auf die Bank, hob den
beseelten Blick zur Decke und sang, während die Mädchen seufzten — was waren
dagegen ihre pickligen männlichen Altersgenossen mit schwitzigen Pfoten und gewöhnlichen
Träumen von Reisen zur Saisonarbeit in die BeErDe. Und zu alledem fuhr Kaplan
Adas auf einem Moped, einer grünen MZ; mein Gott, das war ja fast wie ein
Ritter auf einem Ross, das war ja wahrhaftig wie in den Dornenvögeln. Für den
Religionsunterricht machten sich die Mädchen von Piaskowa Göra zurecht wie zur
Samstagsdisko im Genossenschaftshaus, und an der Tür zur Halle trugen sie
Lippenglanz mit Bananengeschmack auf. Sie stritten sich darum, welche er
angeschaut hatte und wie lange, und wenn sie sich vorstellten, was wäre wenn,
fingen sie vor Erregung an zu kreischen und stießen so hohe Töne aus, dass auf
Piaskowa Göra alle naselang eine Fensterscheibe zerbarst und die Glaser alle
Hände voll zu tun hatten.
    Es war Matgosia
Lipka, die Dominika erzählt hatte, dass Kaplan Adas im nächsten Sommer eine
Pilgerreise mit dem Bus nach Taize organisieren würde. Sie wusste, dass
Dominika die Ferien Jahr für Jahr bei ihrer Großmutter auf dem Land verbrachte
und noch nicht einmal in der Tschechoslowakei gewesen war, während sie,
Malgosia, bereits Paris und Rom gesehen hatte. Sie erzählte Dominika, dass
sie, während ihre Mutter sich im Hotelzimmer betrank, hinter ihrem Vater
hertraben musste, der die im Reiseführer aufgeführten Sehenswürdigkeiten abhakte.
Eiffelturm, abgehakt, Markusdom, abgehakt, Schiefer Turm, abgehakt. Und so
weiter, zum Kotzen. Wie anders wäre es, wenn sie beide zusammen nach Rom, Paris
oder sogar Taize führen! Matgosia knüpfte eine Hoffnung an diese Pilgerfahrt,
und sie knüpfte sie mit einem Seemannsknoten, der fest und kompliziert war.
Versprach diese Pilgerreise doch Stunden Arm in Arm im Autobus und Nächte in
ausländischen Pfarrheimen, wo alle in einer Reihe nebeneinander schlafen
würden. Sie neben Dominika, Dominika neben ihr. Sie war fasziniert von der
Klassenkameradin mit dem androgenen Charme und dem präraffaelitischen Haar.
Wenn sie an Dominika dachte, benutzte sie diese Begriffe - androgyn und
präraffaelitisch, denn sie war eine belesene und intelligente Gymnasiastin,
und Frauen hatten sie schon in ihrer Kindheit angezogen. Dominika und Malgosia
galten in den Augen der anderen als Freundinnen oder sogar mehr, wie man auf
den Feten munkelte, zu denen sie nicht eingeladen wurden, doch sie selbst
wären erstaunt gewesen, dass man sie für so eng befreundet hielt. Unbeliebt und
als Sonderlinge angesehen, verbrachten sie die Pausen zusammen, rauchten auf
derselben Toilette, den Rauch verwedelnd, als gäben sie indianische
Rauchzeichen, weil die Lehrer einem ungeschriebenen Gesetz folgend nur auf den
Rauch von Zigaretten reagierten, nicht auf den Gestank. Während sie sich vor
einer Physikarbeit ihre letzte Zigarette teilten, sagte Matgosia, auf die
Pilgerfahrt nach Taize könnten nur die mit, die ein

Weitere Kostenlose Bücher