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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Zofia brachte nach seinem Tod ihr Kind zur Welt, und
Kazimierz konnte damit denen das Maul stopfen, die Zofias Monate
zählten, als wären es ihre. Sollten sie doch ihre eigenen Monate zählen!
Dieser üble Geruch könnte noch an ihm hängenbleiben, wenn es sich herumspräche,
was Czesiek Kociuba hinter vorgehaltener Hand zischelte, und Janek Kos gab
bestimmt auch seinen Senf dazu, der hatte immer schon ein Auge auf Zofia
geworfen. Jadzia sieht man allerdings nichts davon an, blaue Augen, blond,
weiß wie ein Weizenbrötchen. Das ist eine Erleichterung, das nennt man
Familienglück, dachte Kazimierz bei sich und klopfte Jadzia väterlich auf den
Schenkel. Er fragte Stefan aus, wie viel er in der Grube ausgezahlt bekam und
was für Aufstiegschancen er hatte, ein-, zweimal fuhr er ihm mit der Hand über
den Rücken, um zu prüfen, ob er auch keinen Buckel hatte und für einen
Schwiegersohn breitschultrig und muskulös genug war. Untergehakt tranken sie
einen Cognac zum Zeichen der Freundschaft, die sie mit drei dicken Küssen auf
die Backe besiegelten. Männlich hauchten sie aufs Brot, die Damen tranken
Orangeade, die auf der Zunge prickelte wie Hagelkörnchen. An diesem Abend schon
fingen sie an, ihre Rollen in der Familie abzustecken, Jadzia einander
abzutreten und sich mit ihr abzuwechseln, auszuprobieren, wie man sie so
zwischen sich einzwängt, dass es am besten passt. Onkel Kazimierz glühend vor
Begeisterung am Kopfende des Tisches, Stefan zu seiner Rechten, der über seinen
Fünfjahresplänen ganz zappelig wird, der Onkel wirft, Stefan apportiert. Jadzia
fühlt sich schon ganz wie zu Hause, das haben sie ihr ja auch
gesagt: Fühl dich wie zu Hause, Jadzialein. Schon lernt sie an der Seite von
Tante Basia, wo hier das Brot ist, wo der Abfall, wie man in Walbrzych den
Teesud in den von den Deutschen hinterlassenen Kesselchen am sparsamsten
aufbrüht. Die Dinge gediehen weit, und Jadzia gedieh sehr bald auch, und
angesichts dieses unverhofften Gedeihens verlobte sich Jadzia mit Stefan Chmura
vermittels eines Rings, der bei einem Soldaten der Sowjetarmee in der
nahegelegenen Kaserne erstanden worden war.
    Die Kaserne in Swidnica war
ziegelrot, mit Drahtgitter und Mauer umgeben. In der Umgebung der Kaserne roch
es nach Chemie und altem Schweiß wie beim Schuster, und in den Ritzen der
Holzdielen fanden sich auch lange nach dem Krieg noch deutsche Uniformknöpfe.
Jungen mit faulen Zähnen und Trauerrändern unter den Fingernägeln wohnten
dort, sie stülpten die Hosentaschen aus, und heraus fielen Birken und
Holzkirchlein, Nataschas und Katjuschas, rote Sterne, hüfthoher Schnee,
Väterchen Frost und Gold in rauhen Mengen. Es gab keine Verlobung in Walbrzych
ohne dieses Gold, denn billiger und dicker, glänzender und üppiger konnte man
es nicht kriegen. Das war ein Gold, gelb und fett, mit rosa, hellblauen,
hellgrünen Steinen besetzt, die Mütter bewahrten es zwischen der Wäsche auf,
horteten es in Beuteln zwischen Büstenhaltern und Schlüpfern, als meinten sie,
wenn man solche Dinge nicht öffentlich zeige, würde auch kein Bösewicht
zwischen ihren rosafarbenen, im Schritt durchgewetzten Slips wühlen. Wenn
mütterlicherseits gute Laune angesagt war, wurden die Päckchen hervorgeholt,
die Edelsteineinsätze am Rock glänzend gewienert und den kleinen Töchtern
gezeigt, die sehen konnten, wie die Steine im Licht schimmern und funkeln. Die
Töchter würden diese Wunderdinge bekommen, wenn die Zeit gekommen war, dann
würden sie sie zwischen die Wäsche stecken können, für die eigenen Töchter oder
für schlechte Zeiten, mögen sie nie eintreffen, denn es wäre doch schade,
solches Gold abgeben zu müssen. Das war ein Gold, das man für später
aufbewahrte, nie benutzte man es jetzt, trug es nie, holte es nicht zu oft ans
Tageslicht, als könnte es sich vom Anschauen allein abnutzen. Die Kumpel standen
vor der Kaserne, und die Russkis verkauften ihnen Gold durchs Gitter, von Hand
zu Hand, gegen Zigaretten, polnische Zloty, Wurst. Nachts kamen die Nutten, die
älteren bliesen einen durchs Gitter, die Jüngeren halfen sich gegenseitig über
den Zaun und fielen dann kopfüber dem Gold entgegen, direkt auf die wartenden
Soldaten drauf, die sie in der Luft auffingen wie Fallobst und sich in ihnen
festbissen, bevor sie noch auf dem Boden ankamen. Diese Helden, die Zwiebeln
und Presskopf aufrülpsten, wenn die dort im Dunkeln beim Warten auf die Nutten
gewusst hätten, dass sie Jahre später zu einem literarischen

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