Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
Vom Netzwerk:
Motiv werden
würden, dann hätten sie mehr für die Ringe mit Rubinen und Smaragden und für
die Kettchen genommen und hätten anders gefeilscht. Der Soldat mit dem ausschlagzerfurchten
Gesicht hatte Stefan geschworen, der Ring, den er ihm verkaufe, habe den
allerechtesten Rubin, Zarengold, noch von der Großmutter, doch die Lüge kam
schon am nächsten Tag ans Licht, als der Ring bläulich anlief. Jadzia wird den
Betrug barmherzig vor ihrem Mann geheimhalten, doch nach Jahren wird das
Erbarmen aufgebraucht sein, und die verbitterte Ehefrau wird ihrem Mann den
Trompetengoldring ins Gesicht werfen.
    Zur kirchlichen Trauung ging
Jadzia in einem Kleid aus einer ehemals deutschen Gardine. Ein anderes Kleid
war fertig und wartete auf sie, doch seit der letzten Anprobe war eine Woche
vergangen, und am Tag vor der Hochzeit bedeckte die Spitze Jadzia nur noch zu
einem Dreiviertel. Sie zogen und zerrten vierhändig, Jadzia und Stefans Mutter
Haiina, um die beiden Stoffkanten zusammenzuziehen und die Reihe Perlmuttknöpfe
über dem in der Mitte aufquellenden Körper der Braut schließen zu können. Doch
der Körper drängte heraus, weiß und weich, wie ein Hefeteig war er
aufgegangen. Tränen gab's und Verwünschungen, doch nichts half. Schließlich
riefen sie Stefan zu Hilfe, der sich mit männlicher Kraft an den beiden Seiten
des Kleides versuchen sollte, obwohl es doch Unglück bringt, wenn der Mann
seine zukünftige Frau vor der Hochzeit in Weiß sieht. Stefan spuckte in die
Hände, stemmte das Knie gegen Jadzias Hintern und riss das Hochzeitskleid in
zwei Stücke. Es platzte so weit auf, dass jetzt Jadzia nicht nur hinten
herausquoll, sondern auch vorne das nackte Fleisch zu sehen war. Am nächsten
Tag sollte Hochzeit sein - was nun? Die Einladungen waren verschickt, der
Priester bezahlt, die Torte in der Speisekammer, zwanzig Schälchen mit
Schweinssülze, eine ganze Pyramide Frikadellen, Töpfe mit Fleischsuppe und
Barszcz — das konnte man doch nicht verderben lassen. Wie peinlich vor den
Leuten! Da riss Stefans Mutter die handgestickte Gardine vom Fenster, dass die
Röllchen auf der Vorhangstange klirrten. Fräulein Herta Korn hatte den Vorhang
gestickt, und jahrelang hatte es ihr leidgetan, dass sie ihn in Waldenburg
gelassen hatte. Ach, was für ein Vorhang das war! Bis an ihr Lebensende hat sie
in ganz Bayern nichts dergleichen gesehen. Im oberen Teil ein dichtes Muster,
damit Blicke und Fliegen nicht den Weg hindurch finden konnten, und unten eine
ganze Landschaft hingezaubert. Es war genug Gardine da, um Jadzia von Kopf bis
Fuß und ringsherum einzuhüllen, und Haiina säumte, heftete und drapierte, bis
man der Braut kaum mehr ansehen konnte, dass sich das Jungfernkränzchen
erübrigt hatte. Vorher noch schnell die standesamtliche, in dunkelrosa
Polyester gezwängt, und schon war Jadzia, vorehelich geschwängert,
verehelicht. Wenn Onkel Kazimierz Pferdemist in der Scheune ausstreute, wo die
Champignons in rauhen Mengen wie kahle Schädelchen sprossen, dachte er,
Hauptsache ein Mädchen, klein und weiß und niedlich, und Tante Basia stürzte
sich auf Jadzias Bauch und sang ihr Wiegenlieder in den Bauchnabel. Auf der
anderen Seite des Bauchnabels wogten die Wiegenlieder vom himbeersüßen
Honigmägdlein, die die verrückte Tante in Ohren groß wie Ostseemuscheln sang,
und ihre Spuren blieben in dem butterweichen Gehirn zurück. Durch die
Schlingpflanzen der Gedärme, die mit wurmartiger Bewegung den Brei aus
Kartoffeln und Frikadellen voranschoben, durch die klebrigen Wände des
geblähten Muskelbeutels flossen auf den Wogen eines roten Meeres die Worte vom
blauen Hündchen und dem Mägdelein, dem himbeerroten und sterbenstoten. Jadzia
streichelte der verkindschten Basia geistesabwesend den Kopf und hatte das
Gefühl, dass das alles außerhalb von ihr geschah und gediehen war, zumal sie
doch dreimal die fruchtbaren und die unfruchtbaren Tage nachgezählt hatte. Die
Schwangerschaft trug sie mit sich herum, weil sie sie nicht zu Hause lassen
konnte, obwohl ihre Beine so anschwollen, als wüchse etwas auch in ihren Waden,
worauf ihr Wille keinen Einfluss hatte. Jadzia trug aus, und als sie ihre
Tochter anblickte, spürte sie den vertrauten Kloß im Hals, wie damals, als sie
ihr Kommunionkleid verfleckt oder soeben, als sie einen Haufen auf das
Kreißsaalbett gemacht hatte. Wie peinlich, dass Jadzia ganz offen und in diesem
jeder Frau so wichtigen Augenblick im Leben, während sich ein Wunder der Natur
vollzog,

Weitere Kostenlose Bücher