Bator, Joanna
auf den Knien des Onkels, das ihr
Schicksal entscheiden sollte, würde Jadzia immer in Erinnerung bleiben. Onkel
Kazimierz nahm Jadzia zuerst nur in Gedanken an Tochters Stelle an, um nicht
mit Worten voreilig etwas zu besiegeln. In geschäftlichen Dingen darf man
nichts überstürzen, erst recht nicht, wenn es um die Familie geht. Hooooch
flog der Onkel mit der fast an Tochters Stelle angenommenen Jadzia zum Himmel
und kitzelte sie nach Leibeskräften unter den Armen. Auf die Annahme Jadzias an
Tochters statt kam Kazimierz erst acht Jahre später zurück, als klargeworden
war, dass sich auch bei langem und systematischem Quetschen nichts aus Basia
herauspressen lassen würde. Da schrieb er den Brief an Zofia. Dennoch hatte Kazimierz
an jenem Morgen vergessen, Jadzia abzuholen, vielleicht war es das erste
Symptom einer Erkrankung, die im heißen Klima seines auf Kalkulationen und
Profit ausgerichteten Hirns keimte. In jenem Winter befand sich Onkel Kazimierz
in der Champignonphase, und wenn er einmal für etwas entflammt war, dann
brannte er wie eine Fackel. Seine Augen, klein und tief im Schädel sitzend,
sprühten Funken, unter dem Schnurrbart spie er das Feuer der Privatinitiative
und zielte dabei mit seinen schnipsenden Pistolenfingern direkt auf die durchlöcherte
Basia. Die Champignons waren die Mühe wert! In ehemals deutschen Scheunen am
Rande von Walbrzych illegal gezüchtet, weiß wie Schnee und Taufhäubchen,
wuchsen die Champignons auf Pferdemist, Scheiße verwandelte sich in Geld, und
Onkel Kazimierz wusste, wo man Erstere billig besorgen konnte. Die Champignoninvestition
würde die Einnahmen durch die Taufgarnituren verdoppeln, aus Geld wird Geld.
Nur eines quälte Onkel Kazimierz, nämlich der Verdacht, dass der Kompagnon im
Champignongeschäft mosaischen Glaubens sein könnte. Das brachte ihn um den
Schlaf, unruhig warf er sich im Bett hin und her, bis Basia in hohem Bogen hinausflog.
Doch er fürchtete keine Herausforderung, er ging keinem Risiko aus dem Weg,
wenn er mosaisch war, dann musste man eben alles zweimal nachzählen und ihm auf
die Finger schauen, entschied Kazimierz. Am Morgen von Jadzias Ankunft wurden
die Einzelheiten hinsichtlich der Champignons festgeklopft, und Kazimierz
wollte sich nicht eingestehen, dass Jadzia ihm erst wieder eingefallen war, als
seine Frau ihn zaghaft flüsternd - denn das ihr vor langer Zeit im Munde
abgeschnittene Wort konnte sie nicht wieder laut ergreifen - fragte: Kazik, wo
ist denn Jadzia? Kazimierzs Windmühlenarme setzten sich in Bewegung, es war
ein Ausbruch, bei dem die Kugeln aus seinen Fingern pfiffen, eine traf Basia
unterm Auge, eine andere, verirrte, am Arm. Was werden die Leute sagen, wenn unsere
junge Verwandte geklaut worden ist, wenn sie, die unserer Stadt Unkundige, von
den Zigeunern aus der Poststraße vergewaltigt oder ermordet wird? Wessen
Schuld soll es sein, dass ihn niemand an Jadzia erinnert hat, wenn nicht
Basias? Basia war schuld, und so zusammengestaucht wandte sie sich den
Rindsrouladen zu und stauchte diese. Ihr Mann indessen, der die Rindsrouladen
gern mit Grütze aß, machte sich in Walbrzych auf die vergebliche Suche nach
Jadzia.
Als sie am Abend mit Stefan vor
der Tür stand, gesund und wohlbehalten, die Wangen rotfleckig wie mit Kirschmarmelade
glasiert, öffnete Kazimierz für den besonderen Anlass eine Flasche bulgarischen
Cognac. Heiß überliefen ihn die väterlichen Gefühle, wenn er Jadzias Hüften betrachtete,
ihre Milchbrüste, die Schweißkränze unter den Achseln des rosa Pullovers. Er
dachte daran, dass er von diesen Champignons einiges würde zurücklegen können.
Und die Ersparnisse sowie Haus samt Inhalt würde er ja irgendwann einem
hinterlassen müssen, und das würde bestimmt kein Fremder sein, o nein, nur über
seine Leiche. Wem sonst als Jadzia, die doch immerhin von seinem Blute war,
wenn auch in etwas verdünnter Form.
Jadzias eigentlicher Vater,
Kazimierzs Vetter Maciek Maslak, ein seelenguter Mensch, der von klein auf
nichts als Kaninchenzucht im Kopf gehabt hatte, kam noch am Tag seiner Heimkehr
aus dem Krieg auf die denkbar dümmste Weise ums Leben. Er verschwand spurlos
wie ein Stein im Wasser, erst im Herbst fischten sie seine Reste aus derselben
Pelcznica, in der die Aale Kazimierzs Brüder gefressen hatten, und nur an der
in seinen Gebeinen verhedderten Erkennungsmarke ließ er sich identifizieren.
Er musste sich betrunken haben, eine andere Möglichkeit wollte Kazimierz nicht
laut werden lassen.
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