Bator, Joanna
Bei ihnen
im Haus war Grazynka Rozpuch die Einzige, die etwas fand, und alle packte die
Wut, als sie ausrief: Ich hab was! Sie stemmte den Deckel mit dem Spaten auf
und wickelte einen Lumpen ab, und der Schlag soll die anderen treffen,
insbesondere die Tutkas aus dem Parterre, wenn es aus diesem Lumpen nicht wie
Gold blitzte. Aus dem Parterre konnte man am besten sehen, mit wem und zu
welchem Zweck sie am frühen Morgen nach Hause kam, und die Tutkas wussten so
manches, mindestens ein gutes Dutzend ihrer Sünden hatten sie genauestens
gezählt, wie man eben fremde Sünden zählt. In der Holzkiste war ein Grammophon
mit Trichter, kein Gold und kein Hitlerschatz, nicht mal kostbarste
Wertpapiere, da lachten die Tutkas, wie man so was Wertloses nehmen konnte,
und alle im Haus atmeten erleichtert auf, dass das Schicksal sie diesmal
gerecht behandelt hatte. Grazynka hingegen freute sich, als hätte sie weiß der
Himmel was gefunden, und einer ihrer Liebhaber richtete das ausgegrabene
Wunderding wieder her, es röchelte und stotterte zwar, aber es spielte,
irgendwie spielte es ihre geliebten Milonga-Tangos, denn Tangos rührten sie zu
Tränen. So bin ich nun mal, dass ich mich über jeden Scheiß freue. Und heulen
tu ich auch, weiß Gott, über jeden Scheiß, sagte sie, und wahrscheinlich war es
das, was ihr die anderen in dem Mietshaus in Szczawienko am wenigsten
verzeihen konnten, denn es ging ja nicht an, dass man sich vor den Augen
ordentlicher Leute ohne jeden Grund freute oder auch weinte, zum Beispiel wenn
eine Katze überfahren wurde, und zum Tango aus dem Grammophon tanzte, das eine
Enttäuschung hätte sein müssen, aber keine Enttäuschung war. Ganz in
Nuttenspitze gehüllt tanzte Grazynka den Milonga, dass der Putz von der Decke
und ihr vom Gesicht fiel, bis irgendein anderer zeitweiliger Liebster, der
sich von Musik nicht so leicht rühren ließ, wütend wurde und das Grammophon aus
dem Fenster warf, wobei er um ein Haar Zdzis Tutka getroffen hätte, einen der
sechs kleinen Tuteks, der von da an noch schlimmer stotterte.
Haiina hätte - wie jeder in
Walbrzych - lieber eines der ehemals deutschen Häuser mit Garten in Bialy
Kamieh oder in Szczawno Zdröj bewohnt, wo die neuen Mieter unter den Büschen
ganze Küchenausstattungen fanden mit der Aufschrift Bavaria auf der Unterseite,
Heiligenfiguren voller Münzen, komplettes Tafelbesteck und Standuhren, die
nie stehenblieben, und wo nach dem Regen die Tänzerinnen und Schäferinnen ganz
von selbst die bleichen Händchen und Füßchen aus der Erde streckten, um bloß
gefunden zu werden. Die Hausfrauen gingen mit dem Korb hinaus und sammelten sie
ein wie frische Champignons, mit Stöckchen schoben sie das Laub auseinander,
hoben die Zweige der Johannisbeerbüsche, und da schimmerte es schon weiß. In
Szczawno Zdröj wohnten früher die Reichen und in Szczawienko die Armen, und
nach dem Krieg war es genauso, denn manche Dinge ändern sich nie, doch am
wichtigsten war für Haiina, dass niemand von drüben nach Walbrzych kam. Sie
wollte nicht einmal den Namen jenes Drüben erwähnen, ja tat vor sich selbst so,
als hätte sie ihn vergessen, und dank dieser kleinen Schummelei war jenes
ferne Dorf bei Grodno sozusagen weniger existent. Sie erkundigte sich immer
ganz gezielt: Und woher seid ihr? Woher sind diese oder jene gekommen? So
konnte sie sich fern von Bruder und Schwägerin und allen anderen ansiedeln, die
sie kannten und auf der Straße erkennen könnten, trotz der kastanienbraun
gefärbten Haare und Dauerwelle, von der sich ihre Kopfhaut schuppte. Sie kamen
zu spät nach Walbrzych, um bei der Verteilung der besseren Güter etwas abzubekommen,
denn die Situation des kleinen Stefan war, wie sich herausstellte, nicht so
einfach, ausreisen konnte er nur als ihr unehelicher Sohn mit Namen Czeladz,
wie es in den Papieren stand, oder gar nicht. Daran hatten sie und Wladek nicht
gedacht, als sie heirateten, aber dort drüben wussten ja sowieso alle, dass er
ein Bankert war, ein Kegel, ein Unehelicher. Aber als sich herausstellte, dass
sie umgesiedelt werden sollten, dachte sich Haiina, es gebe doch nichts, das
so schlecht wäre, dass es nicht auch sein Gutes hatte, und sie witterte eine
Chance, dem Sohn ein neues Leben unter dem Namen des Stiefvaters zu
ermöglichen, ganz so, als wäre er erwünscht, ehelich und von Anfang an sein
eigen Kind gewesen. Mit dem umbenannten fünfjährigen Stefan, der jetzt Chmura
statt Czeladz hieß, kamen sie in Walbrzych an, wo sie sich,
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