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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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taugten. Manchmal betrachtete
Wladek seine Hände, als gehörten sie gar nicht zu ihm, dabei hatten sie doch
früher gepasst, und er griff in die Luft, um sich daran zu erinnern, wie es
war, den Hammer in der Rechten und den Pferdehuf in der Linken zu spüren. Er
bewegte die Hände im Leeren und fühlte, wie die Drüben-Welt ihm durch die
Finger rann und wie alles, was er hatte, mit dem Verfließen der Zeit immer
weniger wurde. In Wirklichkeit verlieren wir doch immer mehr Jahre, anstatt
mehr auf dem Buckel zu haben, sagte er eines Nachts zu Haiina, aber sie
verstand ihn nicht, wie konnte er immer weniger haben, wenn sie immer mehr
hatte, eben noch war sie zwanzig gewesen und jetzt auf einen Schlag fünfunddreißig,
und sie sagte ihm, er möge bitte still sein, weil Stefcio schlief, und wenn er
sich erschreckte, dann würde er sich am Ende wieder an alles erinnern, und dann
wäre die ganze Mühe umsonst gewesen.
    Immer trauriger servierte Wladek
im Teczowa Schweinsfüßchen in Aspik und Russisches Ei und schenkte den Wodka
aus, den er schnell auch sich selbst einzuschenken wusste, ohne etwas zu beißen
dazu, mit zurückgeworfenem Kopf wie ein gehetztes Pferd. In den Hinterräumen
des Teczowa trank man von jeder Halbliterflasche ein Gläschen dem Alter nach
und füllte dann die Flasche mit Wasser aus dem Kran auf, und jeden Abend wurden
rund vierzig, an Samstagen und Feiertagen bis zu sechzig Flaschen konsumiert,
den bunten Fruchtwodka und das Bier nicht eingerechnet. Fast jeder Kunde
bestellte zum Einstieg zwei Gläschen Klaren und Aspik, aus dem noch die
Schweineborsten ragten, denn Alkohol
servieren wir nur mit Speisen und wenn es schon sein musste,
dann kam man mit dem Aspik am billigsten weg und der rutschte auch am schnellsten
runter. Dreimal Lorgnon mit Qualle am Zweier, vier Heringe, Qualle, Lorgnon,
fünfmal. Mit Wladek zusammen waren es sechs Kellner, sie zirkulierten zwischen
Theke und den Tischen, jeder dunkel gekleidet, am Kopf pomadisiert und mit
Dienstfliege am Gummiband, damit die arbeitende Bevölkerung von Szczawienko
eine Vorstellung von der Eleganz bekam, die ihr von jeher zustand. Nach zehn
Uhr, insbesondere wenn der Saal für eine Hochzeit gemietet war, hingen die
Fliegen flugbereit an den ausgeleierten Gummibändern, begierig, sich den
anderen zuzugesellen, die schon im Rhythmus des Orchesters über dem Tatar
kreisten, die Gesichter glänzten vor Schweiß, und die hochzeitlich beschuhten
Beine verhedderten sich, das Lorgnon wurde zum Lorgnönchen und rutschte nicht
selten vom Tellerchen, und versuch mal einer, Aspik vom Boden aufzuheben. Nur
Wladek behielt seinen Ernst, egal wie viel er getrunken hatte, das Gesicht in
einer Grimasse des Schmerzes von Seele, Leib oder bei-dem leicht nach links
verzogen, servierte er die Tabletts mit den Lorgnons und den verzweifelt
zitternden Quallen, die die Kunden mit abgehärteten Speiseröhren großzügig
mit Spiritusessig übergossen und männlich in zwei Happen erledigten. Die Frauen
tranken zu Mayonnaise-Ei oder Gemüsesalat, es kam auch vor, dass die Herren
ihnen Kirschlikör oder Cognac anstatt Klarem bestellten oder Orangeade, die sie
dazu trinken konnten. Wenn einer sagte: Herr Oberkellner, bringen Sie der Dame
doch eine Orangeade, damit sie den Cognac runterkriegt, dann war klar, dass der
Kunde eine dicke Brieftasche hatte oder der Frau imponieren wollte, und in
beiden Fällen erhöhte sich die Chance auf ein erkleckliches Trinkgeld, wenn die
Damen erst einmal tranken. Die Damen, die keine Erfahrung im Trinken hatten,
wurden von den Kellnern Pfauenaugen genannt, sie erkannten sie daran, dass sie
zum Wodka »Malaga«-Pralinen knabberten, zum Cognac saure Gürkchen und zur
Orangeade Tatar, und sie fluchten: Zum Teufel mit dem Teczowa, heute haben wir
mindestens vier Pfauenaugen. Sie behielten im Blick, welche zuerst voll war
und zum Klo stürzte, um zu kotzen, und sie hofften, dass sie es schaffen würde.
Was für ein verficktes Pfauenauge, wie kann man sich so den Arsch zuziehen, ärgerten
sich die jüngeren Kellner, die zum Putzen von Boden und Wänden abkommandiert
wurden, doch Wladek erinnerte sie mit Grabesernst daran, dass man vor den Damen
keine Kraftausdrücke benutzt, auch wenn die Betreffende würdelos auf dem
Betonboden lag, aus der Nase blubberte und ihr alles egal war.
    Nur die Nutten im Teczowa wussten,
was und wie sie trinken mussten, und wenn sie ihren Tisch am Fenster besetzten,
brachte Wladek ihnen ohne nachzufragen zwei Flaschen

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