Bator, Joanna
unterm
Tisch beschwichtigend gegen das Schienbein zu treten, phantasiert Stefan glücklich.
Wer weiß, was er noch alles erreichen wird. Vielleicht ist das erst der Anfang
seiner Erfolge, ein Trampolin, von dem aus er himmelhoch springt und eines
schönen Tages dort landen wird, wo der Direktor Mizera und der Vize Mrugala
persönlich gläserweise bulgarischen Cognac trinken, in dem Büro mit der
tropischen Palme. Und er wird reingehen und sagen: Na, dann schenkt mal schön
ein. Und sie werden ihm heiße Wurst und Bigos und Räucherwürstchen vorsetzen,
ihn wie einen der ihren bewirten, wie ihresgleichen.
So gründlich er auch die Dokumente
studierte, die er in der Bergmannsgenossenschaft unterschrieben hatte, Stefan
konnte sich eines Körnchens Furcht dennoch nicht erwehren, das am Grunde
seines mächtigen Magens keimte. Einfach so eine Wohnung zu bekommen, um darin
zu wohnen? Mit Zentralheizung und fließendem Wasser? In Stefans Seele wird die
Ungläubigkeit noch länger mit dem wachsenden Verdacht kämpfen, dass er sich
vielleicht doch auf eine gewisse merkwürdige Weise dieses Glück verdient hat,
dass es ihm schlicht und einfach zusteht. In alkoholgetränkten Träumen richtet
Parteisekretär Gierek die Augen auf ihn, Stefan Chmura, und zeichnet ihn aus.
Genosse Edward kommt zum Ersten Mai nach Walbrzych, und von der
blumengeschmückten Tribüne aus bemerkt er Stefan, der in der Menge marschiert.
Ihn allein! Alle schauen sich verwundert um, und der Parteisekretär stürzt
direkt auf Chmura zu, der die Galauniform der Bergleute trägt. Die Menge teilt
sich, um einen Weg freizumachen, fällt auf die Knie, die Strahlen der Sonne
brechen mit plötzlichem Glanz durch die Wolken, über denen Engelschöre mit Harfen
und goldenen Trompeten dem Bergmannsorchester zur Seite stehen. Gierek tritt
auf Stefan zu, drückt ihm die Hand und sagt: Ich bin stolz auf Sie, Genosse
Chmura. Und Stefan antwortet: Ich hab getan, was meine Pflicht ist, danke
schön, Parteisekretär.
Von diesen Träumen erzählt Stefan
nicht einmal Jadzia. Frauen verstehen solche Dinge nicht. Manchmal spricht er
nur vor dem Badezimmerspiegel nach: Ich habe getan, was meine Pflicht ist,
danke schön, Parteisekretär. Wie stolz Jadzia auf ihn sein würde! Und wenn die
Auszeichnung mit einer Geldzuwendung verbunden wäre, würde er ihr etwas
Schönes kaufen, ein weißes Kostüm wie aus Zuckerguss, weiße
Zuckergusshandschuhe und -schuhe, cremefarbene Strümpfe, erdbeerfarbene
Schlüpfer.
Stefan gefällt es, dass Jadzia
immer runder und weicher wird, mit vorgewölbtem Venushügel, wie er ihn nie
zuvor bei einer Frau gesehen hatte. Nicht mal bei Grazynka Rozpuch, die er
durchs Schlüsselloch beguckte, wenn sie sich in der Schneiderstube seiner
Mutter zur Anprobe auszog. Stefan nimmt seine Frau fester in den Arm und denkt
an die dunkle Linie, die ihr nach der Schwangerschaft geblieben ist, die vom
Bauchnabel aus nach unten führt, wie ein Pfeil, der dem Bär den Weg zum Honig
zeigt. Manchmal würde sich Stefan gern in Jadzias Weichheit verkriechen und für
immer dort bleiben, sogar, wenn ihm dann der Parteisekretär die Hand nicht
anerkennend schütteln würde. Stefan sieht sich mit einem Mal von Gefühlen übermannt,
dass er blinzeln muss, um den feuchten Dunst aus den Augen zu verscheuchen.
Eine Anwandlung von Begehren ringt mit dem erwachenden Appetit auf Bratkartoffeln
mit Blutwurst und Sauerkraut und vielleicht ein bisschen Tomatensauce, die vom
Mittagessen übriggeblieben ist. Weißt du was, Dziunia, sagt er und schluckt -
ich hab irgendwie wieder Hunger.
***
Stefans Mutter Haiina fing an zu
rauchen, als sie in das von Deutschen verlassene Haus in Walbrzych zogen, und
seit diesem Tag qualmte sie wie ein Schornstein. Ein Haus? Was für ein Haus?
hätte ihr Mann Wladek verwundert gefragt. Ein Haus hatten sie drüben gehabt,
mit Matthiolen an der Wand, mit Dach und Fußboden, und neben der Scheune wuchs
der Reineclaudenbaum, den Wladeks Großvater gepflanzt hatte, als er aus dem
Krieg zurückkam, der nicht der Letzte sein sollte. Angeblich hatte er ihn aus
einem Kern gezogen, den er in seiner Uniformtasche mitgebracht hatte. Wladek
erinnerte sich, wie er davon gegessen und gedacht hatte, was für ein Baum aus
diesem einen Reineclaudenkern entstanden war, und dadurch wurde das Haus
irgendwie noch mehr ihr eigenes.
Hier aber bekamen sie zwei Zimmer
in einem Mietshaus in Szczawienko mit Blick auf einen Hügel, wo man nicht mal
Sauerampfer für die
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