Bator, Joanna
gehört, denn wenn Gott mit uns ist, dann ist es
sein Sohn ja wohl auch, selbst wenn er aussieht wie ein Transvestit. Mit
geschlossenen Augen tastete sie nach dem Zigarettenpäckchen und ließ das
schwere Metallfeuerzeug mit dem eingravierten Schriftzug »Grüsse aus München«
aufschnappen. Als Stefan mit der Fachschule fertig war und zur Arbeit in die
Grube ging, wechselte Haiina von der Marke Sport auf Klub mit Filter, denn
jeden Monat lag jetzt Geld in einem hellblauen Umschlag auf der Anrichte, und
mit jedem Monat war es mehr. Der Sohn erwies der Mutter seinen Dank, und sie
teilte den Lohn in kleine Haufen, erst das Papiergeld, dann die Münzen,
aufgeschichtet zu kleinen Pyramiden, und für diesen von Monat zu Monat größer
werdenden Haufen, der fürs Essen bestimmt war, konnte sie von Monat zu Monat
mehr Essen kaufen und immer größere Gerichte auf den Tisch bringen, damit
derjenige, der sie verspeiste, die Kräfte zur Produktion noch größerer
Geldhaufen sammeln konnte, und so blieb alles in einem geschlossenen Kreislauf.
Als Zwanzigjähriger - nach der neuen Altersberechnung - sah Stefan allmählich
wirklich wie ein Mann aus und unterschied sich kaum noch von anderen
Zwanzigjährigen in Szczawienko, er hatte ausladende, leicht gekrümmte
Schultern, breite Hände, an denen die Finger fast alle gleich lang waren, und
einen kleinen runden Bauch als sichtbares Zeichen des Wohlstands. Wenn ihr zum
Manne gewordener Sohn von der Arbeit nach Hause kam, lud Haiina ihm einen Berg
Kartoffeln auf den Teller, die sie mit dem Löffel zurechtklopfte, um in die
Vertiefung Fett mit Grieben oder eine dunkel angeschwitzte Sauce zu füllen,
klatschte warmen Brei aus roten Rüben dazu, die amaranthfarben zerliefen. Beim
Fleischer suchte sie die Fleischstücke aus, betastete schmatzend die blutigen
Lappen, und sonntags gab es immer Hühnersuppe und Schweinskotelett.
Entsprechend dem wachsenden Lohn stieg in ihren Augen auch der Wert des Sohnes,
für den das Beste gerade gut genug war. Er hatte es zu was gebracht! Na, wie
ist es denn da in der Grube, fragte sie, wenn sie sich ihrem erwachsenen Kind
gegenüber an den Tisch setzte, und Stefan antwortete: Dort, Mama, dort wird das
schwarze Gold gemacht, und er verschlang die mütterliche Liebe, denn alles, was
er von ihr verlangte, war Essen, und alles, was er von sich verlangte, war,
seinen Hunger zu stillen, sobald er sich meldete. Haiina legte ihm noch ein
Stück Fleisch von ihrem eigenen Teller dazu und sagte Issnurissnurissnur, wie
damals, als sie ihm die Brust gegeben hatte, es war das einzige Liebesmantra, das
sie kannte, und sie war sicher, ihre zukünftige Schwiegertochter würde es auch
kennen. Sie nähte nur noch für Stammkundinnen, denn zum ersten Mal seit
Wladeks Tod ging ihr nicht vor dem Monatsersten das Geld aus, ganz im Gegenteil,
der nächste Monat kam, und sie hatte immer noch welches. In dem kleinen
Schrebergarten, den sich die Mieter ihres Hauses an den Eisenbahngleisen
ergattert hatten, um noch mehr Eigenes zu haben, zog sie die harten Gemüse
nördlicher Länder. Im Herbst verarbeitete sie diese zu Eingelegtem und
Eingemachtem, sie war zutiefst davon überzeugt, dass das zu ihren Pflichten
gehörte, denn nichts Essbares durfte verkommen. Von dem gewohnten Pfad
abgekommen, auf dem es immer gefehlt und nie gereicht hatte, stopfte sie
Stefan mit einem Übermaß an Nahrung voll, die gegessen werden musste, und sie
selbst ließ sich von ihm sogar einen neuen Mantel mit Pelzkrägelchen schenken
und trug den Kopf ein wenig höher.
Ihre Freizeit verbrachte sie mit
Grazynka, inzwischen Mutter dreier unehelicher Kinder; zum Schrecken des ganzen
Hauses hatte sich noch ein weiteres dazugesellt. Grazynka kam immer häufiger zu
Haiina, um für die Kinder etwas weiter oder länger zu machen oder umschneidern
zu lassen, kaum je, um für die zwei Töchter und den Sohn, die weder ihr noch
einander glichen, etwas Neues zu bestellen. Von stets wechselnden Verbrauchern
abgenutzt, deren keiner die Gebrauchsanweisung kannte, verloren ihre am
meisten ausgebeuteten Zonen allmählich an Straffheit, doch äußerlich hielt sie
sich tapfer, mit goldenen Gürteln und schmetterlingsverzierten Spangen zusammengeklammert.
Keiner wusste, wie alt sie wirklich war. Die Männer, die die Frauen gern jung
hatten, gaben ihr zwanzig Jahre, und diejenigen mit einer Vorliebe für reifere
Frauen Mitte dreißig, und auch diese verschmähte sie nicht. Die Haare zu einer
steiflackierten Hochfrisur
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