Bator, Joanna
und
schnuppert, doch sobald sie sie wegstellt, muss sie wieder ins Badezimmer
rennen. Die Ursache für das Erbrechen kann sie allerdings nicht rauswürgen,
deshalb gibt Jadzia nach vier Monaten klein bei und fängt an zu essen; ihr
Körper saugt jetzt mit der gleichen Verbissenheit alles auf, mit der er vorher
ausgestoßen hat. Jadzia verschlingt Brötchen mit Erdbeermarmelade, die ihre
Mutter aus Zalesie schickt, und Dosensardinen, ja sie trinkt sogar das Öl und
leckt die Büchse hinterher sauber aus wie eine Katze, wobei sie sich die Zunge
an den scharfen Rändern schneidet. Sie verschlingt Salzheringe und saure
Gurken, Würfelzucker und Räucherspeck, Lutsch- und Kaubonbons. Wenn Stefan
isst, legt er den Arm schützend um seinen Teller aus Furcht, Jadzia würde sich
im nächsten Moment an seiner Portion vergreifen. Nachts tapst sie in die Küche
und isst die Reste auf. Sie steckt die Hand in den irdenen Topf mit
Pflaumenmus, stößt durch die Zuckerdecke in die feuchte Weichheit und leckt
sich die Hand ab, jeden Finger einzeln leckt sie sauber und saugt die
kleinsten Reste Süßigkeit unter den Fingernägeln heraus. Sie hat ein Gefühl,
als verlange etwas in ihr mehr und mehr, das ist ein Hunger, der nicht ihr eigener
ist, deshalb kann sie ihn nicht beherrschen. Ihre großen Brüste ziehen nach
unten, die Haut auf Hintern und Schenkeln verliert ihre Glattheit und sieht
jetzt wie ungleichmäßig eingekerbt aus, in Jadzia ist jetzt mehr als in ihren
Körper passt. Sie hat zugelegt, sagen die Nachbarinnen, sie haben auch schon
mal zugelegt oder werden zulegen. Als schwergewichtige Schwangere hat sie
besondere Privilegien in Bussen und Bahnen, die Leute lassen ihr den Vortritt
und machen ihr einen Sitz frei, Jadzia allerdings passt selten auf den ihr
angebotenen Platz und fürchtet immer, dass sie steckenbleibt und nicht mehr
rauskommt.
Die Bekannten in Szczawienko, die
schwanger gewesen sind, erzählen der Novizin Jadzia von Geburten, bei denen sie
ständig in Lebensgefahr waren, die Gebärende um ein Haar zerrissen wurde oder
platzte und nur durch außergewöhnliches Glück und Willensstärke am Leben
blieb. Jeder dieser Berichte trieft von Schmerz, Angst und Blut,
Kriegsveteranen sind im Vergleich dazu Waisenknaben, sie hatten ja schließlich
Schützengräben, Bajonette und letzten Endes auch die Fahnenflucht, die ihnen
als Möglichkeit zur Verfügung stand. Bei diesen Auktionen der Gebärschrecken
geht es darum, die vorhergehende Geschichte zu überbieten, indem man mit
schrecklicherem Schmerz und einem längeren Dammschnitt aufwartet. Ein nicht
eingeschnittener Damm reißt quer durch (halb so schlimm) oder längs, wird wie
beim Vierteilen von Pferden auseinandergerissen, vom Bauchnabel bis zum Steißbein
klafft dann eine Wunde, in die unverdünntes Jod geklatscht wird, eimerweise.
Jadzia hört zu und spürt, wie sich das Loch zwischen ihren Beinen zu einem
Knoten schlingt, jetzt hat sie zwei Bauchnabel. Sie schläft allein auf der
Couch, hält sich Stefan vom Leib, der zum Trost im Badezimmer ein paar deutsche
Pornohefte unter der Wanne versteckt hat. Jadzia zählt die Tage bis zu dem von
Doktor Lipka errechneten Geburtstermin und denkt, wenn es ein Mädchen wird,
nenne ich sie Dominika oder Paulina. Das sind die schönsten Namen aus dem Kalender,
und sie kann nicht sagen, welcher ihr lieber ist. Bei der Geburt im Januar wird
sie sich endgültig entscheiden. An einen Jungen denkt Jadzia gar nicht, es
kommt ihr sehr unwahrscheinlich vor, dass sie einen Menschen anderen
Geschlechts im Bauch haben könnte. Alles egal, sagt Stefan, Hauptsache gesund.
Der von Doktor Lipka auf den
siebzehnten Januar datierte Geburtstermin kommt ebenso vorzeitig wie unzeitig,
als Jadzia beim Abendessen am Heiligen Abend aufsteht, um sich Sahnehering
nachzunehmen. Im Haus in Szczawienko hat niemand Telefon, der Weg ins Krankenhaus
ist weit, und überall liegt der Schnee hüfthoch. Jadzia wird vom ersten
Wehenstoß k. o. geschlagen, obwohl dieser ja erst ein Vorgeschmack auf das
ist, was eine Frau guter Hoffnung zu erwarten hat. Zur Telefonzelle machen sie
sich selbdritt auf, denn keiner will allein zu Flause bleiben, am wenigsten
Jadzia. Ihre Füße sind so geschwollen, dass sie in Stefans Schneestiefeln gehen
muss, die ihr sechs Nummern zu groß sind, über den riesig gewölbten Bauch passt
nur noch seine alte Windjacke. Haiina drückt ihr noch eine Mütze aus Kunstfell
mit Leopardenmuster auf den Kopf, und los geht's. Jadzia schiebt
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