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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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toupiert, die Brauen nach der Natur mit Kopierstift
nachgezogen, die Lider perlmuttgrün wie der Bauch einer Schmeißfliege, so sang
sie in Haiinas Küche den Schlager vom Minimini-, ach dem Miniminirock, und ihre
ganze Apparatur war klapprig und undicht, weil sie zu lange widrigen Einflüssen
ausgesetzt gewesen war. Es waren keine dicken Fische mehr, keine spendablen Vertreter
aus Warschau, keine Scharen rechter Hände von Bezirksvertretern, die sich in
Grazynka verströmten und vor Lust zerflossen, sondern treibender Seetang in
Gestalt von Männern mit dunklen Ringen unter den Augen oder vorstehenden
Adamsäpfeln. Manche klammerten sich an das Floß Grazynka, saugten sich gierig
fest und nutzten sie aus, und sie stellte sie Haiina vor: Das ist Januszek,
sagte sie, oder, das ist Grzesio, vergnügt wie damals, als sie das klapprige
Grammophon ausgegraben hatte. Sein Kompagnon hat ihn übers Ohr gehauen, fügte
sie hinzu, oder: Seine Frau hat eine Schraube locker und ist durchgeknallt, so
wie andere Frauen gesagt hätten: Er ist Arzt oder Busfahrer. Mit nie
erlahmender Begeisterung und Hoffnung ließ sie einen Mann nach dem anderen die
Saugnäpfe anlegen, und jeder ließ wie seine Vorgänger bekotzte Teppiche,
unbezahlte Schulden, stumpfe Rasierklingen, einen Tripper oder auch nur einen
Herpes zurück und manchmal auch ein Kind, das zur Welt kam oder auch nicht.
Diejenigen, die gerne schlugen, flogen genauso auf sie wie diejenigen, die
gerne geschlagen wurden, denn jeder fand etwas für sich in den Winkeln ihres
Körpers, und Grzesio schwor, sie sei eine kleine Rothaarige, mit der er alles
hatte machen können, was er wollte, während Januszek steif und fest behauptete,
sie sei eine Brünette, stattlich und dazu mit Charakter, und er hätte nur
gemacht, was sie ihm befahl, so hätte sie ihn an die Kandare genommen. Haiina
wusste nicht, dass sogar ihr Sohn am Schlüsselloch zum Mann geworden war,
während er Grazynka in Einzelteilen zur Anprobe betrachtet hatte, und dass er
seitdem mit den Blicken nur die Frauen auszog, die aus großen flachen Teilen
bestanden, deren größter in der Mitte war.
    Einmal aber sah Haiina ihren Sohn
mit Grazynka schäkern, die ihm ihre Brust entgegenreckte, und sie wusste
sofort, dass sie wachsam sein musste, denn wenn die erfahrene Nachbarin so vor
ihrem Sohn das Weibchen spielte, dann würden hastdunichtgesehen auch andere
merken, dass er ein Mann geworden war. Als Mutter musste Haiina nun aufpassen,
dass sich nicht irgendeine Hergelaufene mit Stefan zu weit einließ, bevor sie
sie nicht begutachtet und genehmigt hatte. Haiina wollte nicht, dass sich
irgendein gefallenes Mädchen ihr Kind unter den Nagel riss, das sie mit so viel
Mühe zu einem tüchtigen Menschen gemacht hatte. Als zwei Monate nach diesen
prophetischen Erleuchtungen in Haiinas bislang nicht allzusehr in
Mütterlichkeit bewandertem Herzen Jadzia in ihrer Wohnung in Szczawienko
auftauchte, kam es für sie dennoch überraschend. Der mütterliche Instinkt hatte
Haiina nicht eingeflüstert, wie der Verlust ihres Kindes an eine andere Frau im
Einzelnen vor sich gehen würde, ganz zu schweigen von den Details, wie
beispielsweise, dass die Besagte mit dem ersten Frühzug aus Wroclaw eintreffen
und die Treppe hinunter und in die Arme ihres Sohnes fliegen würde, ohne dass
die Mutter zuvor ihre Zustimmung gegeben hatte. Die Fliegerin hatte sie
überlistet, und es war geschehen. Vieles wurde anders und nicht zum Besseren
für Haiina, wie sich zeigen sollte. Vor allem bedeutete es das Ende von
Grazynka Rozpuchs Besuchen, denn in einer plötzlichen Aufwallung moralischer
Läuterungwünschte Stefan ihre Gesellschaft nicht mehr. Grazynkas verbrauchte
und hurige Fraulichkeit, Grazynkas rabenschwarzes Haar (er hätte nämlich
geschworen, dass sie dunkelhaarig war) gingen ihm derartig mit Jadzias frischer
Fraulichkeit und ihrem blonden Haar durcheinander, dass er zu einer männlichen
Tat schreiten und eine Scheidelinie ziehen musste: hier Mutter und Verlobte,
dort Nichtmutter und Nichtverlobte. Diese Hure wird mit meiner zukünftigen
Frau nicht an einem Tisch sitzen, so sprach er. Auf Haiinas zaghaften Protest
hin erhob der plötzlich so erzern ermannte Sohn die Stimme und schleuderte sie
zwischen die Bigosteller auf den Tisch, dass es widerhallte. In den
abschließenden Worten der Ansprache über die Hure, die, und das solle sich die
Mama bitte merken, dieses Hauses Schwelle nicht mehr überschreiten werde,
spürte Haiina einen

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