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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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biblischen Ernst und die felsenfeste Autorität des
Patriarchen, der das Geld ins Haus bringt und eh man sichs versah einen linken
Haken versetzen konnte wie einst ihr Bruder Franciszek. Was blieb ihr übrig,
sie packte die Mittagessensreste zusammen und ging hinunter zu der Nachbarin,
die Schweinsgulasch und Bratkartoffeln rasch wieder auf die Beine brachten. Ein
oder zwei Monate später, als sich Grazynka mit der ausnahmsweise ernsten
Gefahr konfrontiert sah, ihre Kinder an den sozialistischen Staat abgeben zu
müssen, mobilisierte sie ihre Reserven und siedelte nach Szczawno Zdröj über,
wo sie als Küchenhilfe im Sanatorium für Magengeschwürler und Nervenkranke
moralisch gesunden sollte. Eine Zeitlang verschwand sie aus dem Blickfeld aller
in eine Wolke aus Kohldunst.
    Jadzia wurde bald darauf Stefans
Frau und nahm die Stelle der Schwiegertochter ein, an der Haiina lieber jemanden
wie Grazynka gesehen hätte, nur eben jung und unbenutzt, während Jadzia an
Haiinas Stelle lieber gar niemanden gesehen hätte, denn dann hätten sie in der
Wohnung in Szczawienko mehr Platz gehabt. Jadzias trübselige Gesellschaft
entschädigte Haiina nicht für den Verlust der Freundin, und sie hatte Sehnsucht
nach Grazynka, die ihr gluckerndes Vogellachen lachte, als wäre das Huren im
Teczowa die herrlichste Sache der Welt. Wieder war Jadzia unerwünscht und wurde
nicht gemocht, und Haiina bekam wieder nicht, was sie erwartet hatte, und so
übten sich Schwiegertochter und Schwiegermutter beiderseitig in der
tagtäglichen Wiederholung der Vergangenheit, vor der sie davongelaufen waren.
Nein, dachte Haiina über Jadzia, und nochmals nein, dachte Jadzia über Haiina,
und wenn sie miteinander sprachen, benutzten sie verstümmelte unpersönliche
Formen, die auf der Konstruktion unnötiger Verneinungen beruhten. Es könnte
wohl nicht mal einer zum Metzger gehen und was für die Suppe kaufen, seufzte
Haiina, während ihr der Rauch aus allen Löchern quoll, und Jadzia, in ihrer
entsetzlichen Schwangerschaft nach Süßem gierend, stellte die Frage in den
Raum, ob wohl mal jemand Teig für die Blaubeerpiroggen kneten könnte. Sie
schlossen vorübergehende Bündnisse, wenn es ums Waschen, Wäscheaufhängen und
Strecken des Getrockneten ging, denn bei bestimmten häuslichen Tätigkeiten
erwiesen sich vier nicht einvernehmliche Hände trotzdem als wesentlich
geschickter als zwei, die gut miteinander können. Außerdem guckte dabei die
eine der anderen auf die Finger und schöpfte Genugtuung daraus, dass die
andere nichts so machte, wie es sich gehörte. Jadzia seufzte: Liebe Mama,
kannst du nicht ein bisschen kräftiger wringen?, und die liebe Mama, der der
Sohn so unverhofft eine Tochter beschert hatte, fragte: Bringen sie einem dort
nicht bei, dass man Kartoffeln dünner schält? Sobald Jadzia etwas anzusehen
war, betrachtete Haiina die Schwiegertochter mit anderen Augen, sie merkte, dass
dieser sich wie ein Maulwurfshügel vorwölbende Bauch die Perspektive änderte
und den Horizont erweiterte. Das war ein Bauch, den ihr Stefan der fremden
Jadzia gemacht hatte, und somit gehörte der Inhalt zu einem gewissen Teil auch
ihr, Haiina, die sich von diesem Bauch etwas für sich erhoffen konnte. Auch
wenn sie nicht selbst in Hoffnung war, so konnte sie doch eine Hoffnung hegen,
zum Beispiel auf eine bessere Zukunft als Großmutter mit Enkel, an dem nicht
die gleichen Fehler begangen werden würden wie am eigenen Nachwuchs,
einschließlich der Geburt zur Unzeit. Haiina erwartet vom Bauch ihrer Schwiegertochter
ein Kind beliebigen Geschlechts, das sie zur Großmutter und Person mit eigenem
Platz machen würde, Stefan erwartet eine Mehrung seines Besitzes und denkt,
dass mehr Platz und mehr Arbeit an der Kohlenwand nötig sein werden, während
Jadzia sagt, sie würde auf der Stelle den Platz mit ihm tauschen, wenn sie bloß
nicht mehr jeden Morgen kotzen müsste.
     
    ***
     
    Die Schwangerschaft lastet schwer
auf Jadzia Chmura, sie erträgt sie nicht gut, denn es ist schwierig, etwas zu
ertragen, was man ununterbrochen tragen muss und nie absetzen kann. Die ersten
vier Monate hat sie täglich bis mittags Brechkrämpfe, die auch zu anderen
Tageszeiten jederzeit wiederkommen können, wenn ihr irgendwo Brandgeruch in
die Nase steigt. Ein unschuldiges Streichholz reicht aus, um den schlummernden
Vulkan in ihren Innereien zu wecken, und schon quillt es Jadzia aus Nase und
Mund. Essiggeruch hilft, wenn auch nur kurz. Jadzia öffnet die Flasche

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