Bator, Joanna
graust sie, daran zu denken. Jadzia hat gesehen, wie diese
dreckigen Kinder spielen. Sie stecken einen Stock in die Erde und spucken und
rotzen darauf, dann zählen sie ab, ene mene muh, und wer aus ist, der muss den
Stock mit den Zähnen rausziehen, mit den Zähnen! wiederholt Jadzia, wer will
denn so was spielen!, in ihren Augen funkelt das Grauen und noch etwas anderes.
Diese Kinder trinken nichtabgekochtes Wasser, popeln in der Nase und essen
Ziegen, warnt sie ihre Tochter. Die Kinder von Szczawienko spielen also ohne
Dominika auf dem bakterienverseuchten Hof und wissen nicht, was ihnen entgeht,
weil sie Dominika kaum kennen, und das ist so, als entginge ihnen gar nichts.
Durchs offene Fenster hört das
einsame Mädchen das Lachen der unkultivierten Kinder von Szczawienko, und ihr
entgeht etwas. Auf den Hygienespaziergängen lässt Oma Kolomotive die Enkelin
manchmal aus den Augen, und sofort rennt die Kleine zu den Kindern von Szczawienko,
die sie jedoch so energisch zurück in Richtung Oma befördern, dass der
schneeweiße Schlüpfer aufblitzt. Die Kinder von Szczawienko sind ein
vielköpfiges Geschöpf, dessen Köpfe alle miteinander verbunden sind. Dominika
ist allein, Paulina zählt nicht, die ist ja im Himmel oder unter der Erde. Emil
Tutka, der älteste von sieben Stück Kleinvieh in der Familie Tutka, und die
hellhaarige Emilia Buczek, die ein Jahr jünger ist als er, schreien etwas, was
Dominika nicht versteht, sie rufen Zigeuner, dreckiges Zigeunerluder, die
anderen tun es diesen Köpfen nach, Steine fliegen, die Dominika gelten. Sie
findet sich allmählich mit der Tatsache ab, dass sie nicht passt. Sie hält
sich abseits, den Plastikeimer mit dem Schäufelchen an die Brust gedrückt. Sie
kann auch alleine schön spielen, wie Jadzia ihr immer rät, zum Beispiel Suche
nach der Schwester, wie Dominika sich ausgedacht hat. Mit der rosa Schaufel
reißt sie die Erde neben der Teppichstange auf, je stärker sie wird, desto
tiefere Löcher gräbt sie. Manchmal machen sich die anderen Oma Kolomotives
kurzfristige Unaufmerksamkeit zunutze, einer der Drachenköpfe schnellt auf
einem langen Hals vor und schlägt Dominika in den Nacken oder auf den Rücken.
Das ist bestimmt Emil Tutka mit den verkrusteten Augen, die aussehen wie mit
Streusel bestreut. Er stößt dem Kind ein zitterndes Stück rosa Fleisch direkt
unter die Nase und wirft dann eine Handvoll Regenwürmer auf die Erde, zertritt
sie und sagt Aas am Arsch! Sie kann nichts antworten, sie kennt die Sprache
nicht, in der sie auf Emil Tutkas hässliche Worte erwidern könnte, die sie wie
Spucke treffen. Er ist schon wieder weit weg und dreht ihr eine lange Nase. Sie
kann ihn nicht einholen.
Die Würstchenmasse, die es zum
Frühstück gibt, erinnert Dominika an die Leiche eines großen Regenwurms, die
Mama der kleinen, die Emil Tutka mit dem Schuh zertreten hat, und des Wurms im
Blumentopf. Die armen kleinen Regenwurm-Schwesterchen, denkt Dominika, sie
kriechen aus der Erde, um ihre Mama zu suchen, und die liegt derweil gekocht
auf ihrem Teller, eine fette tote Mama. Sie hält den Bissen ein paar Minuten im
Mund und spuckt ihn dann aus. Haiina nimmt den Teller und wirft das, was darauf
ist, stillschweigend in den Mülleimer. Das wird eines von ihren Geheimnissen,
die Oma legt die Hand auf die Brust und hebt sie dann zum Mund, wobei sie so
tut, als schließe sie ihn zu. Die Kleine ahmt ihre verschwörerischen Gesten
nach. Der Mund wird zugeschlossen und zwar zu-zu-zu-zuschlu. Wenn sie Mama was
davon sagt, dann kommen die Zigeuner aus der Poststraße und nehmen sie mit.
Wohin? In den schwarzen Wald. Warum? Um Matze aus ihr zu machen. Die Hände
machen sie zu Matze, die Beine und den Bauch? Ja. Den Po und den Kopf auch? Ja.
Po, Kopf, alles. Wozu den Kopf? Für Matze? Den Po für die Matze, den Kopf auf
die Pratze, und die Knöchelchen werden zu Klappern für die Zigeunerkinder! Oma
Kolomotive schneidet ein Stück Brot ab, schmiert dick saure Sahne darauf und
bestreut das Ganze mit Zucker. Der cremigsüße Geschmack strömt in das Kind und
lässt sich darin nieder, die Zuckerkristalle lassen sie glitzern. Das wird ihr
in Erinnerung bleiben.
Nach dem Frühstück setzen sich Oma
und Enkeltochter auf den Boden und suchen die schönsten Reste für
Puppenkleider aus. Zwischen ihnen türmt sich ein Berg, aus dem Wiesen und
Röslein, Morgenröten und Flüsse, Dotterblumen und dottergelber Entenflaum
hervorschauen. Die Puppe heißt Paulinka und ist das Einzige, was
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