Bator, Joanna
Schwiegermutter bringt Jadzia aus der Fassung, mehr aber noch der
Himmel, der wie ein schmutziger Schwamm über Piaskowa Göra hängt. Wird es
aufreißen? Wenn es bloß aufreißen würde! Jadzia, um Locken und Rüschen der
Tochter besorgt, schmilzt in ihrem rosa Boucle-Kostüm wie Butter. Reiß dir
nicht an den Haaren, du Buschmann, donnert sie, lass das Kränzchen in Ruhe!
Seit vier Uhr ist sie auf den Beinen, zwei Stunden lang hat sie die Haare auf
Wickler gedreht, und jeden Moment wird es schütten. Das Kleid ist mit einem
Rüschenbesatz aus Tüll verlängert, denn in dem Monat seit dem Kleiderkauf ist
Dominika eine Bohnenstange geworden, schon hängt das Kränzchen mit den Perlen
schief im Haar, der Regen macht die ganze mütterliche Mühe zunichte. Soviel
Kochen, Scheuern, Fleischdurchdrehen, Fensterputzen, soviel Klößchenkneten,
Roterübenreiben, und jetzt klart es nicht auf. Schneller! treibt Jadzia die
Familienprozession zur Eile an. An der Spitze des Zuges eilt Dominika, gefolgt
von Stefan im spacken Hochzeitsanzug, Onkel Kazimierz in einer Wolke von
Rasierwasser »Brutal«, Tantchen Basienka im Kleinmädchenlook am Arm, die dicke
Oma von auswärts und die dünne Oma von hier, die im Gänsemarsch hinterher
zockeln. Könnt ihr Mamas nicht ein bisschen schneller? pfeift ihnen Jadzia im
Nacken, obwohl sie selbst auf ihren in Krampfadern eingeschnürten Beinen kaum
vorwärts kommt. Vor ihnen rennen jede Menge Leute, hinter ihnen tauchen immer
neue auf, die alle hoffen, vor dem Regen die Kirche zu erreichen und die
Tochter im jungfräulichen Kleid hineinzuschaffen, bei einem Jungen fällt das ja
nicht so ins Gewicht, ob er nass ist oder nicht. Die ersten Tropfen ereilen
sie auf halbem Weg, spärliche, aber dicke Tropfen, die Boten eines
Maigewitters. Blitz und Donner, Familie Lepki zieht an ihnen vorbei. Mutter
Lepka mit Taufkerze und Sohn Zbyszek, Vater Lepki mit der Tochter, die starr
wie ein Stück Holz unter seinem Arm steckt, überholen in einer Kurve die an der
Fettlast zweier Frauengenerationen schleppende Familie Chmura. Die Schlaglöcher
im Weg füllen sich mit Wasser, man muss springen und hüpfen und aufpassen, dass
man nicht ausgleitet und dem Nächstbesten in die Beine rutscht, denn es ist
glitschig. Klitschik! schreit die Lepka und bewegt sich im Riesenslalom, die
Laufmasche in ihrer Strumpfhose lässt sich jetzt nicht mehr aufhalten. Der
nächste Blitz zuckt aus dem Himmel und schlägt irgendwo in der Nähe ein,
gefolgt von einem solchen Donner, dass sich die zugereisten Omas in aller Hast
bekreuzigen. Jetzt in irgend so einem Walbrzych zu sterben würde ihnen gar
nicht passen, zumal doch das seit Jahren bezahlte Grab auf ihrem Dorffriedhof
wartet. Ein Wolkenbruch mit gewaltigem Regen und Hagelkörnern direkt über
Piaskowa Göra, plötzliche Finsternis und Wind, der an den Spitzen und Schleifen
reißt, die weißen Kleider wie Ballons aufbläht. Heilige Mutter Gottes, die
ganze Kommunion ist im Eimer! lamentiert die Walbrzycher Kindesmutter, wo sie
sich doch so abgeschuftet hat. Da hat die Himmelsmutter sie ganz schön
veräppelt. Schlamm spritzt unter Dominikas Kommunionslackschuhen auf, in süßen
Bächen strömt es aus ihren mit Zuckerwasser steifgedrehten Locken. Die
tschechoslowakischen Lackschuhe sind nach dem Schlammbad völlig ruiniert,
Jadzia, nach dem Anblick ihrer Tochter in Weiß am Altar schmachtend, ist den
Tränen nahe. Schwarze Fluten wie aus dem Kleinen See der Spinnennixe reißt die
in ihren Kleiderballons hüpfenden Mädchen mit sich, die Omas, ihre
Taschensärglein an den Bauch gepresst, treten schon Wasser. Väter verlieren
beim unbeholfenen Kraulen ihre Hosengürtel, brustschwimmende Mütter alle
Hoffnung sowie das Kleingeld für den Klingelbeutel. Sie erreichen die rote
Backsteinkirche, wo das Wasser sie hinträgt und absetzt, zerrupft und
umbrandet stehen sie da wie Schiffbrüchige, deren Schiff auf Felsen aufgelaufen
ist. Jadzia versucht Dominika zurechtzuzupfen, bevor sie zum Altar geführt
wird. Heilige Mutter Gottes, wie siehst du aus! Du Buschmann! Sie drückt der
Tochter das Kränzchen so fest in die Haare, dass der Draht sich wie ein Dorn
herausschiebt. Was hat sie sich abgeplagt, um diese ungefügigen Haare zu legen,
mit Zuckerwasser hat sie sie aufgedreht, kein Mensch hat eine Ahnung, wie oft
am Tag man daran rupfen, zerren, glätten muss. Wie wirst du auf dem
Kommunionsbild aussehen, so verheult? Die anderen Mädchen lächeln, und du?
Wirst mir wohl wieder heulen
Weitere Kostenlose Bücher