Bator, Joanna
Eine Familie, die ihre Tochter an einen
Deutschen hat abgeben können, hat bis ans Lebensende ausgesorgt. Einst sind die
Deutschen ungebeten nach Polen gekommen, und sechs Jahre konnte man sie nicht
loswerden, jetzt bittet man sie, doch wenigstens für ganz kurze Zeit zu kommen,
um Kasia, Madzia oder Bozenka zur Frau zu nehmen. Zur deutschen Grenze fährt
man von Walbrzych nicht mal zwei Stunden, aber einen echten Deutschen zu
ergattern ist nicht leicht. Vor allem kommt man ja nicht so einfach über die
Grenze. Man muss einen Pass beantragen und über Rücklagen verfügen, und wenn
einer einfach so zum Amt geht, ohne wen im Rücken, der kriegt keinen Pass für
seine schönen Augen.
Und hinter der
Grenze ist ja erst die DeDeEr, eine Art Zwischenland zwischen Polen und dem
Land der echten Deutschen, der Westdeutschen, der sogenannten BeErDe. Dort erst
ist das richtige Paradies, und man hat die Wahl zwischen allen möglichen
Schwiegersöhnen. Da gibt es Deutsche jeder Größe und jeden Alters.
Vorherrschend ist die Farbe rosig, denn es geht natürlich um echte Deutsche und
nicht etwa irgendwelche vertürkten. Die Vertürkten können sich ruhig die
russischen Weiber nehmen. Als die ersten Bergleute aus Walbrzych auf
Leihvertrag in deutsche Zechen fahren, wird der Traum vom ausländischen
Schwiegersohn greifbarer. Vorher hat man höchstens auf einen Zufall hoffen können,
wie zum Beispiel den plötzlichen Besuch der früheren Besitzer eines Hauses in
Biah-Kamieh, die mit ihrem zeugungsfähigen und kopulationslustigen Sohn
angereist waren, um mit ihm gemeinsam den alten Schuppen anzusehen, doch
anstatt in das Haus verguckte sich der Sohn in Wanda Wierzba. Das war eine
schöne Geschichte!
Mütter wie
Jadzia wissen, dass man bei romantischen Geschichten ein bisschen nachhelfen
muss, denn wenn sie selbst kein Glück gehabt haben, dann kann es auch bei ihren
Töchtern ausbleiben. Deshalb nehmen die Heiratsvermittler in Gestalt der nach
Deutschland ausgeliehenen Bergleute und ihrer Frauen die Sache in die Hand. Es
erfolgt ein Austausch von Fotos. Dann kommt der Deutsche, um die Ware an Ort
und Stelle zu begutachten und zu betasten. Ist er zufrieden, schickt er eine
Einladung, und ein weiteres Mädchen von Piaskowa Gora wird von ihrer weinenden
Mutter und der weitläufigen, auf Einladungen hoffenden Verwandtschaft
verabschiedet. Als Violetta Wypastek, Friseuse auf Piaskowa Gora und Tochter
der Cousine der Lepka, ausreiste, lauschte Jadzia in fieberhafter Erregung den
Berichten über die Geschenke, die der zukünftige Schwiegersohn Gotthilf
Braunschädel der Familie mitgebracht hatte. Mein Gott, was gab es da nicht
alles! Ein Jahresvorrat an Waschpulver und Ei-, Grüner-Apfel- und
Blumenduftshampoo, schwarze und gemusterte Strumpfhosen, Unterhosen für jeden
Wochentag mit Aufschriften von Montag bis Sonntag, Gummibärchen, Chips mit
Räucherspeckgeschmack und ein elektrisches Backwunder. Zum Dank für die
Vermittlung bekam die Lepka von der Brautfamilie eine Literflasche Schaumbad
und eine Dose Raumspray mit Waldduft, das man nach dem großen Geschäftchen
herumsprühen konnte und das so gut roch wie die feinsten Parfüms. Sie zeigte
Jadzia die neuen Geschenke im Bad neben den bereits geleerten Verpackungen
deutscher Kosmetika, die man zur Zierde stehen ließ, auch wenn sie schon
aufgebraucht waren. So ein Badezimmer, seufzte Jadzia, das ist so richtig
elegant-galant. In der BeErDe gab es Geschäfte, erzählen die Vertragsbergleute,
die sind so groß wie hundert Supersams von Piaskowa Gora zusammen, die Regale
gehen bis zur Decke und es fehlt an nichts. Man kann einfach ganz normal
nachmittags oder abends losgehen und kriegt, was man will, ohne Schlange stehen
zu müssen. Man packt alles in große Wagen und geht zur Kasse, keiner guckt einem
auf die Hände, und deshalb kann man schon mal einen Fotoapparat in eine
Waschmittelpackung stecken oder wenigstens ein paar Unterhosen in eine Pralinenschachtel.
Der Pole packt's! Außer Konsumgütern bringen die Ausleihbergleute noch Fotos
von Brüdern, Onkeln und Cousins deutscher Bergleute oder auch der Bergleute
selbst, die noch zu haben sind. Wenn sie zurück nach Deutschland fahren, nehmen
sie die von ihren resoluten Ehefrauen angefertigten Angebote lediger,
verwitweter und geschiedener Frauen aus Walbrzych und Umgebung mit. Wanda, die
einen Deutschen will, geht ins Fotogeschäft von Sylwester Papuga auf Piaskowa
Göra, der die schönsten Porträts mit Säule oder Goldsessel macht.
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