Bator, Joanna
und deine Marotten haben, was?
Jadzia ist so
enttäuscht. Es sollte ein Traum von einem Tag werden, warm und fliederduftend,
Dominika mittels Kleid, Lackschuhen und Lockenwicklern in eine Bilderbuchtochter
verwandelt. In den Läden herrscht Leere, Jadzia hat erfinderisch sein müssen,
durch Beziehungen alles organisieren, für Schinken und Kotelett Schlange
stehen, bis ihr fast die Beine abfielen. Was allein diese Lackschuhe gekostet
haben! Da blickt die Mutter auf den krausen Kopf der Tochter, der wie eine
seltsame dunkle Blume aus der Reihe der hübschen bekränzten Mädchenköpfe ragt.
Weder Nelke noch Gerbera und erst recht nicht ihre Lieblingsblume, die dezente
Fresie. Jadzia vergleicht und rechnet aus, wie viel ihre Tochter wert ist. Ist
das möglich, dass eine Mutter ein anderes Exemplar als Tochter aussuchen würde,
wenn sie die Wahl hätte? Jagienka Pasiak zum Beispiel, die Tochter des
Milizkommandanten, was ist das für ein reizendes Kind, immer nett Guten Tag,
Dankeschön, und was für ein Kleid sie hat, bestimmt aus dem Westen. Am
Elternsprechtag wird sie immer als Vorbild hingestellt, der Star jedes
Schulwettbewerbs. Gegenüber Jagienka verliert Dominika an Wert, doch wenn sie
nebeneinander stünden, würde die Schlechtere davon profitieren, und die
Bessere würde nicht so auffällig besser wirken. Jadzia fragt: Was hast du in
der Klassenarbeit? Zwei plus. Und Jagienka? Natürlich eine Eins. Wie oft hat
Jadzia zu Dominika gesagt: Wieso freundest du dich nicht mit Jagienka Pasiak
an? Warum musst du immer solche Marotten haben? Jadzia gefällt Dominikas
Freundschaft mit Dimitri nicht, so ein schwarzer Wilder, er lacht wie blöd,
hüpft herum, blitzelt mit den Augen. Der Wert ihrer Tochter könnte bei einer
solchen Freundschaft noch weiter sinken. Töchter verderben schneller als
Hackfleisch. Am besten würde man sie einfrieren und erst unmittelbar vor Gebrauch
aus dem Gefrierfach nehmen.
Die Kommunion
ist erst der Anfang, und Jadzia frischt ihre angekratzten Träume von Dominika
in Weiß schnell wieder auf. Was jetzt nicht ist, das kann noch werden, man muss
nur abwarten. Sie wird sich schon ins Zeug legen! Sie hat sich für ihre
Tochter bereits eine Zukunft erträumt, aber sie musste mit dem Ausdenken nicht
bei Null anfangen. Was sie einst für sich erträumt hatte, war ja noch
unbenutzt. Manchmal weiß Jadzia beim Träumen nicht mehr, ob es um sie oder ihre
Tochter geht. Wer verbirgt sich unter diesem Schleier, den der ausländische
Oberarzt gleich zum Kuss lüften wird? So oder so, in dieser Zukunft ist kein
Platz für einen, der nicht in den Religionsunterricht geht wie Dimitri, und an
dessen Namen sich ein normaler Mensch die Zunge brechen kann. Wenn einer nicht
in den Religionsunterricht geht, gibt es auch keine kirchliche Trauung, und
dann ist alles für die Katz, denn bloß auf dem Standesamt, was ist das denn für
eine Hochzeit? Ohne jede Atmosphäre. Angeblich ist Dimitris Vater ja Lehrer,
gab Jadzia sich selbst zu bedenken, aber man sah doch an den Gesichtern, dass
es Gesindel war. Tja, Ausländer ist nicht gleich Ausländer! Man musste sehr
aufpassen, dass man sich nicht in den Finger schnitt. Jadzia weiß, dass sie
sehr aufpassen muss, dass Dominika sich nicht in den Finger schneidet, dass sie
ohne Blutvergießen und entstellende Narben unter die Leute geht und einen Mann
findet, und zwar auf einem Weg, den zu beschreiten ihr, Jadzia, nicht gelungen
ist, von dem sie aber sehr gut weiß, wohin er führen soll. Die Mutter hofft,
dass sie die Tochter nur in die richtige Richtung zu lenken und entsprechend
aufzustellen braucht und ihr dann bloß noch einen leichten Schubs geben muss,
um den hoffentlich nicht zu großen Widerstand zu brechen. Ich beiße bald ins
Gras, scherzt Jadzia bitter, doch du, meine Tochter, hast das Leben noch vor
dir. Pass auf, dass es dir nicht geht wie deiner Mutter und du nicht mit einem
Nichtsnutz und Säufer in einem solchen Storchennest endest.
Ach, wenn ich
sie doch in die BeErDe geben könnte, träumt Jadzia, sie mit einem guten
Deutschen verheiraten könnte. Eine bessere Zukunft kann man sich nicht vorstellen.
Deshalb ist ein deutscher Schwiegersohn nicht nur Jadzias Wunschtraum, es gibt
viele Willige, wer weiß, ob es für alle Interessentinnen reichen würde, obwohl
die BeErDe ja ein großes Land ist, sogar ohne DeDeEr. Erzählungen von denen,
die das Glück ereilt hat, gehen vor der Kirche und beim Schlangestehen an den
Walbrzycher Läden von Mund zu Mund.
Weitere Kostenlose Bücher