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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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einen solchen Schwachsinn ausdenken und
würde sich lieber selbst kreuzigen lassen, auch wenn ihr Kind ihr ab und zu
gehörig auf die Nerven ging. Väter hatten ihr nie einen guten Dienst erwiesen,
ihr eigener war gestorben, als sie noch nicht auf der Welt war, der Vater ihrer
Tochter trat selten durch Väterlichkeit in Erscheinung. Ihre Mutter, die nach
Essig riechende Zofia, mochte sein wie sie wollte, aber es gab sie, und sie
schickte Pakete mit Erdbeermarmelade. Später allerdings wird sich auch ein
Foto des polnischen Papstes zu den anderen in Jadzias Portemonnaie gesellen,
und Jadzia wird mit vielsagendem Seufzen sagen: Der hat von Anfang an über mich
gewacht.
    Während des
Konklaves 1978 landete Jadzia in dem Krankenhaus, in dem sie die Zwillinge zur
Welt gebracht hatte, um ein Haar wäre sie auf dem Weg dorthin gestorben. Die
letzte Ausschabung war ihr nicht gut bekommen. Etwas war schiefgegangen, hatte
sich entzündet, schwärte. Nach einer Woche hatte sie hohes Fieber, das auf
ihren ansonsten stets blassen Wangen wie zwei Feuer brannte. Sie rief nach
Dominika, die ihr vom Badezimmerboden aufhelfen musste, denn beim Wechseln des
Watteverbandes bekam sie plötzlich einen so süßlichen Geschmack im Mund, als
käme ihr auch dort Blut heraus. Guck mal, wie ich gestraft werde! sagte sie zu
ihrer Tochter, die barfuß in der bräunlichen Lache stand. Von dem letzten
Eingriff hatte sie Stefan nichts gesagt. Ich werd mich ins Zeug legen und für
noch eins verdienen! hatte er bei der vorletzten Abtreibung gebrüllt.
Angetrunken und melodramatisch hatte er sich an die Brust geschlagen, doch
Jadzia, eine in Ehefraulichkeiten erfahrene Ehefrau, wusste genug, sie hatte
schon etliche uneingelöste Versprechen zu hören bekommen. Kerle! Pfuscher und
Blindgänger, und jeder zweite ein Säufer. Nicht mal den Müll kann er wegbringen,
wenn man ihn bittet. Gleich! ruft er. Gleich! Die Unterhose kann er sich nicht
waschen, aber ein Kind will er haben. Und wer soll die Windeln waschen? Der
Heilige Geist vielleicht, oder die Lottofee? Egal ob am Babel oder im
Fernsehen, sie reißen immer bloß das Maul auf, und hinterher stellt sich
heraus, dass sie Scheiße geredet haben, die Regale in den Läden sind leer,
nicht mal Binden kann man kriegen, muss sich den Mull in Streifen reißen oder
Watte in Gaze wickeln, damit sie nicht an der Möse kleben bleibt. Deshalb
hatte sie Stefan nichts davon gesagt, dass sie wieder schwanger war. Bis
zuletzt hatte Jadzia sich eingeredet, ihre Tage kämen einfach zu spät, dabei
kannte sie die Zeichen gut genug, die in ihrem Büstenhalter anschwollen und
sich als dunkler Streifen wie ein Peitschenhieb über ihren Bauch zogen. Sie
ging mit ihrer Kollegin Madzia und ließ es heimlich machen, privat bei Doktor
Lipka, denn sie hatte ein bisschen Erspartes, aber irgendwas ging schief.
    Sie fährt
allein ins Krankenhaus. Vor Schmerz gekrümmt, schweißgebadet vor Angst und
voll Scham über den Flecken, den sie auf dem Kunstledersitz im Bus der Linie 2 hinterlässt. Am schlimmsten ist das
Bergaufgehen von der Haltestelle aus. Schritt für Schritt schleppt Jadzia sich
weiter, der schmerzende Bauch zieht nach unten, Blut fließt ihr die Schenkel
hinab. Sie bleibt gut ein Dutzend Mal stehen, um zu verschnaufen und fällt
dreimal hin. Zuerst stolpert sie beim Aussteigen aus dem Bus, zerreißt sich die
Strumpfhose. An der Haltestelle wimmelt es von Leuten, keiner reicht ihr auch
nur die Hand. Die ist doch betrunken, sagt einer, die Alte hat sich volllaufen
lassen. Sie rappelt sich auf, doch gleich hinter dem Zebrastreifen fällt ihr
alles aus der Tasche, als sie ein Taschentuch sucht und nicht findet. Eine alte
Oma mit Augenverband bückt sich, um zu helfen, sie hat ein getüpfeltes Kopftuch
wie Jadzias Mutter. Sie dankt ihr gerührt, was für eine liebe Frau!, erst
hinterher merkt sie, dass die Alte ihr die Puderdose und ein Päckchen
Zigaretten geklaut hat. Das zweite Mal fällt sie neben dem Gymnasium, und zwei
kichernde Schülerinnen stellen sie wieder auf die Beine, sie halten sie für
betrunken. Die eine hat rote Haare, und in ihrem Fieber meint Jadzia, sie
stünden in Flammen. Sie lehnt einen Augenblick zwischen beiden an der Wand, sie
geben ihr ein Taschentuch, denn sie hat sich das Knie aufgeschlagen, dann
wischt sie sich damit über die schweißnasse Stirn und richtet sich dabei erst
recht zu. In Jadzias Kopf jagt der Schnellzug ratatataratatata, sie redet
wirres Zeug, ihr seid ja noch jung, sagt sie

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