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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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fünf Richtige im
Lotto zu feilschen, machten sich Mutter und Tochter, feiertäglich gekleidet und
mit Deodorant Marke »Basia« besprüht, nur zu zweit auf den Weg, um für
Gesundheit und eine deutsche Zukunft zu beten. Jadzia verstand es, ihrem Kind
religiöse Wahrheiten vielleicht nicht besser, in jedem Fall aber farbiger zu
vermitteln, als die ewig erkältete Nonne, die im Raum hinter der Kirche
Religionsunterricht gab und nur verlangte, dass die Kinder den Katechismus
paukten. Dominika lernte, dass der liebe Gott unartige Kinder bestraft und mit
speziellen unterirdischen Zügen in die Hölle schickt, wo die Teufel sie in
Kesseln voll Pech sieden. Und wie kochen sie sie? fragte Dominika nach. Erzähl
es mir doch noch mal. Ich hab dir das schon so oft erzählt, dass sie sie an den
Beinen packen und mit dem Kopf zuerst in den Kessel stecken. Und das böse
Mädchen, erstickt es dann nicht? Nein, es erstickt nicht, es spürt alles, so
heiß wie in kochendem Wasser, dunkel und schrecklich. Ist es sehr dunkel? Ja,
sehr. Und die Beine? Nur die Füße gucken heraus, die sind weiß wie Schnee, und
der Teufel macht krrraps mit seiner knotigen Pfote und rührt alles mit dem Bein
um wie mit einem Löffel. Mit der Zeit brachte Dominikas Neugier Jadzia allerdings
aus dem Gleichgewicht, woher hatte das Kind bloß solche Sachen im Kopf? Jeder
weiß, dass der Wein heiliges Blut ist, aber das sagt man nur so, denn jeder
weiß doch, dass es in Wirklichkeit Wein ist. Wein, kein Blut! Wer wird denn
Blut trinken! Höchstens irgendwelche Wilden.
    Was erzählst du
da, du Dummkopf, was für Vampire? Nach Vampiren steht ihr das Mütchen! Setzt
dir Oma Haiina solche Dummheiten in den Kopf, oder vielleicht dein
irrgläubiger Zigeuner?
    Die religiöse
Jadzia Chmura gab nicht zu, dass sie ja auch nicht verstand, warum die Kinder
in Afrika hungern, wenn Gott doch gut ist, und woher der Heilige Geist kommt,
diese bleiche, undeutliche Gestalt, die in der Dreifaltigkeit den Platz
einnimmt, der für jemand so Schönes wie die Muttergottes viel passender wäre.
Jadzia hält es für pädagogisch falsch, der Meinung der zehnjährigen Dominika
offen zuzustimmen, dass eine Vierfaltigkeit mit Maria doch viel besser wäre
als die Dreifaltigkeit, doch sie trägt das geweihte Bildnis der Muttergottes
von Tschenstochau immer bei sich, eine Zwillingsschwester der Muttergottes,
die im goldfarbenen Gipsrahmen in ihrer Küche auf dem Babel hängt. Nur diese
Frau, die schöne Mutter mit der Narbe von einem schwedischen Säbelhieb auf der
Wange, und also versehrt wie sie selbst, hatte für Jadzia eine Realität. Eine
Frau wird eine Frau immer besser verstehen als ein gekreuzigter Bursche, dazu
noch Junggeselle, sagte die Lepka. Eine Ansicht, die Jadzia teilt, auch wenn
sie sie nie in so deutliche Worte fassen würde. Mehrmals täglich warf sie
einen Blick auf die Schwarze Madonna, wenn sie Schlange stand oder im Autobus
saß, um sich zu vergewissern, dass sie auch sicher zwischen den Fotos von
Stefan und Dominika steckte, oder um eine kleine Gefälligkeit zu erbitten.
Jadzias Kirche war weiblich, und außer der Gottesmutter faszinierten sie die
Märtyrerinnen. Zum Beispiel die heilige Ursula. Als Hauptheldin der Predigten
von Hochwürden Antoni Postronek, der auf dem Gebiet körperlicher Sünden
besondere Sensibilitäten hatte, diente sie als Vorbild an Tugendhaftigkeit.
Elftausend Jungfrauen, donnerte er und zeichnete üppige weibliche Formen in
die Luft, elftausend gottesfürchtige Jungfrauen von keinem Hunnenblut befleckt
grausam dahingemetzelt! Dann musste Jadzia sich ans Herz greifen. Diese
Hunnen, das waren entsetzliche Rohlinge! Sie bedauerte, dass sie die
Vorgeschichte dieser Heiligen nicht kannte, die sich auf eine voreheliche
Pilgerfahrt nach Rom begeben und auf der Heimreise mit ihren zahlreichen
Gefährtinnen zu Tode gekommen war. Jede einzelne von einem Hunnen mit dem
Spieß durchbohrt. Dann wäre Dominika oder Paulina vielleicht eine Ursula
geworden, denn eine heilige Dominika oder Paulina wurde von Hochwürden
Postronek nie erwähnt. Jadzia malte sich aus, dass Ursula und ihre Gefährtinnen
alle ganz weiß gekleidet gewesen waren, wie Kommunionkinder, und wie die Hunnen
sie mit ihren Spießen durchbohrten, jedes Mal mitten ins Herz treffend, aus dem
dann Blutfontänen spritzten. Die Religion eines Vaters, der seinen eigenen Sohn
zur Kreuzigung verurteilte, bot Jadzia nichts, was sich in ihrem Leben nutzen
ließ, denn keine Mutter würde sich je

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