Bator, Joanna
katholische
Liturgie. Nicht dass sie einen Vergleich gehabt hätte. Diese Überzeugung war
ein Axiom, alle anderen Religionen fielen für sie unter die gemeinsame
Kategorie »Irrglauben« und waren ohne Zögern abzulehnen. Als Dominika aufgeregt
von einer Begegnung mit Hare-Krishna-Anhängern im Kulturhaus erzählte, davon,
wie sie Hare Krishna Krishna Hare gesungen hatten und etwas zu essen bekommen
hatten, das nach Kokos und Bula-Bula-Inseln schmeckte, verzog Jadzia das
Gesicht zu einer angewiderten Grimasse. Möhren mit Kokos, also wirklich! Kokos
war allerhöchstens für den Kuchen. Wenn du dir da bloß nicht eine nette Krankheit
angelacht hast, wer weiß, wie die das gekocht haben, diese Papperlaken.
Bestimmt haben die sich nicht die Pfoten gewaschen. Den Zeugen Jehovas gab sie
nie eine Chance, ihre Broschüren mit bunten Bildern von einem Paradies voll
verblödeter Schäfchen und rosalippiger Hirten zu übergeben. Wenn es unerwartet
klingelte, spähte sie durch den Spion, da sind sie schon wieder, diese Irrgläubigen,
flüsterte sie mit verdrehten Augen und legte den Finger an die Lippen, Dominika
sollte still sein. Die Singsangstimme des Priesters hingegen und die grellen
Bilder, die Szenen des Kreuzwegs darstellten, rührten ihr Herz, sie liebte den
Geruch von Weihrauch und die Stimmung. So schön hat der Pfarrer gepredigt,
erzählte sie begeistert, und so viele Leute waren da. Dieser tränenschwere
Druck im Hals unterschied sich in seiner feuchten Unbestimmtheit nicht von
ihren Empfindungen bei der Lektüre der Aussätzigen oder bei einem Fernsehbericht über verhungernde Kinder in Afrika - dann
war ihr immer, als hätte sie unter den Rippen ein kleines Tierchen mit
weichen, kitzelnden Füßchen. Ihr ganzes Leben lang hatten Romanzen,
Kirchenlieder und sentimentale Balladen sie gerührt, und als nach Stalins Tod
die ganze Zweiklassenschule in Zalesie aus voller Kehle die Kantate über Stalin gesungen hatte,
kam die kleine Jadzia zitternd wie Espenlaub mit hohem Fieber nach Hause und
war von dieser Gefühlsaufwallung eine Woche lang krank. Was heulst du so?
Zofia, Jadzias Mutter, puffte Jadzia, wenn sie bei jeder Sonntagsmesse in der
Zalesier Kirche ins Schniefen kam, und das Enthüllen der Monstranz versetzte
sie in ein ebensolches Schluchzen wie den alten Kukulka, dem ein Granatsplitter
im Kopf steckengeblieben war, und die Leute lachten darüber, dass er eine
Stunde lang heulen konnte, wenn ein Huhn für die Suppe geschlachtet werden
musste.
Als Erwachsene
sagte Jadzia immer, sie gehe in die liebe Kirche, um ein bisschen zu
verschnaufen, und in Rose und Pink gehüllt lief sie durch den Busch hinunter,
auf immer geschwolleneren Beinen. Jedes Jahr wartete sie voller Ungeduld auf
Weihnachten und Ostern und begann zwei Wochen vor den Feiertagen mit den
Vorbereitungen. Sie verurteilte die Hausfrauen, die sich nicht so abschufteten
wie sie und versäumten, die Teppiche zu klopfen oder die Fenster zu putzen. Was
waren das für Feiertage, wenn man sich nicht vorher abschuftete, sich nicht
völlig fertigmachte, sich nicht die Beine in den Bauch stand? Wenn nur die
Hand nicht wäre - sie schüttelte den behinderten Arm wie ein kaputtes Gerät -
wenn nur diese Hand nicht wäre. Völlig fertig vom Piroggenkneten und
Schlangestehen, vom Zählen, wie viele Lebensmittelkarten ihr noch fürs Fleisch
blieben und wie viele für Süßigkeiten, strich sie sich über die verkrampften
Finger und sagte: Ich könnte doch noch Kohl mit Erbsen kochen. Das Gefühl von
Mangel stellte sich immer ein, unabhängig davon, dass es an den Feiertagen
immer zu viel zu essen gab. Jadzia knetete, rollte aus und dünstete, setzte
vor und stopfte nach, bis es der Familie schlecht wurde. Sie hatte etwas übrig
für religiöse Rituale und sorgte dafür, dass alles so ablief, wie es seine
Richtigkeit hatte. Das Körbchen mit den Weihgaben an Ostern stellte sie immer
so hin, dass besonders viel Weihwasser darauf tropfte, und an Weihnachten stand
sie Schlange, um ihre Gabe in die Opferdose zu werfen, die ein lustig nickendes
Holznegerchen hielt. Als Mirek Tutka dem Negerchen den Kopf abriss und
Hochwürden Antoni Postronek auf dieses Element der Krippe verzichtete, empfand
sie eine Enttäuschung, als sei ihr ein persönliches Unrecht widerfahren. Was
war das denn für eine Krippe ohne Nicknegerchen?
Wenn Stefan
nach dem samstäglichen Besäufnis zu unwohl war, um sich aus dem Bett zu
schleppen und mit Gott um sechs oder notfalls vorerst auch nur
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