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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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allgemeiner
Wertschätzung.
    Von da an
gehörte der polnische Papst zu den religiösen Gestalten, denen Jadzia besondere
Achtung und Begeisterung zuteil werden ließ. Wie schön er sprach! Wie schön er
mit der Hand winkte! Und immer lächelnd, das Gesicht so freundlich, so
menschenfreundlich. Und wenn er Ostern eine Taube entließ, dann flog sie bis in
den Himmel! Und immer in Weiß, in Gold. Was er auch sagte, es war schön, klug.
Die Tränen flossen wie von selbst, wenn man diese Menschenmengen sah. An
irgendwas musste es ja liegen, diese Menschenmengen. Und was er für Reisen
machte, hoho! Keiner ist so viel herumgereist wie er. Zu den Schwarzen, zu den
Gelben, kein wilder Stamm, zu dem er nicht gefahren wäre. Und überall begrüßten
ihn Menschenmassen, und er strich den Kindern über die Köpfchen, egal, ob sie
schwarz oder gelb, krank oder verlaust waren, ja, er nahm sie sogar auf den
Arm. Alte, Krüppel, sogar zu den Juden ist er gefahren, da hatte er keine
Angst. Jedem hat er die Hand gegeben. Und er liebte Süßes, Kremschnitten, und
wenn er Urlaub machte, lief er Ski. Fern, hell und rein, hätte Papst Johannes
Paul II. Jadzias Vater sein können, der aus der Ferne über sie wachte und sie
mit seiner Hand, durchsichtig wie eine Hostie, segnete. Nie belästigte sie ihn
mit ihren Alltagsproblemen, damit ging sie zur Schwarzen Madonna, denn welches
Kind geht schon mit jedem Scheiß zu seinem Vater, wo es doch weiß, dass der
wichtigere Dinge am Hals hat, die ein Kind mit seinem Verstand ohnehin nicht
begreifen kann.
    Jadzia versteht
nicht den Zorn der Tochter, von der sie Jahre später gefragt wird, wie sie denn
die Abtreibungen mit der Kirche in Einklang brächte, die doch Abtreibungen
verteufele und Mütter, die abgetrieben hatten, mit einem Hinterntritt in
Richtung Hölle befördere. Was hatte das Kind jetzt schon wieder? Was waren das
wieder für Spinnereien? Was wissen die denn schon vom Leben einer Frau, diese
Priester! Sie meinen es gut, aber wissen tun sie einen Scheißdreck. Sie haben
keine Frauen, keine Familien, sie reden, was sie aus Büchern wissen;
unbeholfen wies sie Dominikas Angriffe zurück. Jadzia, genauso wie ihre Mutter
Zofia und ihre Großmutter Jadwiga, betete über die Köpfe der Priester hinweg zu
etwas, das viel stärker und älter war als sie, und in der Kirche in Szczawienko
herrschte eine Atmosphäre, die dem zuträglich war. Jeder brauchte ein bisschen
Weihrauch, ein bisschen Romantik, in Walbrzych ganz besonders. Jadzias Kirche
hätte die Welt ins Wanken bringen, die Fundamente des Vatikans unterspülen und
die mit Blut geschriebenen Archive zerfetzen können, sie hätte halb Afrika vor
dem Aids-Tod retten und Kriegen ein Ende setzen können. Hätte man die Fenster
in dieser Kirche aufgerissen und ein bisschen frische Luft hereingelassen,
hätte man sie geschüttelt wie eine Dose mit verklebten Bonbons, dann hätte sich
diese Kirche auf krampfaderndurchzogenen Beinen auf rissigen Fersen, die schon
genug gestanden hatten, in Gang gesetzt, sie wäre erdröhnt in der
schrecklichen Musik von Millionen an Bratpfannen schlagender Kochlöffel.
    Als die alte
und fast blinde Jadzia zu Weihnachten den Da Vinci Code bekommt, mit
Ausnahme der Polnischen Küche das dickste Buch in ihrem Leben, beginnt sie halbherzig zu lesen, nur
um ihre Tochter nicht zu enttäuschen. Wie üblich wirft sie die Daten, die Nach-
und Vornamen durcheinander, was sind das denn auch für parlehvuhfranzäsige
Namen, an denen man sich die Zunge verknoten kann. Doch nach ein paar Dutzend
Seiten sinken die Bilder in Jadzia da ein, wo das Unbenannte zu guter Letzt
seine Gestalt findet. Und sie versinkt in süße Marienketzereien wie eine
Pflaume ins Kompott, sie glaubt daran aus ihrer ganzen vom Leben gebeutelten
Seele und verliert dabei die letzte Chance auf eine katholische Version des Paradieses,
wo sie wahrscheinlich sowieso einiges zu bemäkeln gefunden hätte. Na so was,
unter diesem Louvre ist also das Grab der Muttergottes! freut sich Jadzia Chmura.
Sie wirft alles ein wenig durcheinander, doch eines versteht sie - dass sie
recht gehabt hat.
     
    ***
     
    Die Nachbarn
von Familie Chmura hatten einen Pudel, der auf Löwe frisiert war, und freuten
sich wie Kinder, dass Schwalben in einer Ecke ihres Fensters ein Nest gebaut
hatten. Jadzia beobachtete vom Balkon, wie sie Krümel auf die Fensterbank
streuten und den Vögeln liebevoll zuredeten. Der Jüngere zerbröselte das Brot,
während der Ältere den Hund mit

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