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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Finger auf das Foto. Der bestellte
Gegenstand ging sofort in den Besitz der Bestellerin über, für immer oder bis
zum nächsten Mal, wenn er abbestellt und gegen einen besseren eingetauscht
wurde, denn ein solcher Überfluss erschien wie Sünde in einer Welt der
gewendeten Hemden und gefälschten Etiketten. Wozu brauchst du solche Hosen wie
für einen Burschen? rügte Jadzia Dominika, die angesichts einer Jeanslatzhose
vom Kurs der Frauwerdung abgekommen war. Die Mutter befeuchtete den Finger mit
Speichel und blätterte um zu einer Seite, wo angemessenere Röckchen und Hemdblusenkleider
tulpenförmig auf den Hüften pfirsichhäutiger Mannequins erblühten, die
lächelnd ihre brautschleierweißen Zähne zeigten. Stell dir doch mal solche
Gardinen vor, murmelte die Mutter in ihrem Spitzen- und Seidenrausch, und
farblich passend dazu Überwürfe auf Sofa und Sessel, damit sie nicht so schnell
abwetzen. Wunderhübsch - sie drückte die Tochter an sich -, wunderhübsch
würdest du in diesem lila Prinzesskleid mit den Rüschen aussehen. Dominika
guckte am liebsten die Seiten mit Unterwäsche an, auf denen sich reihenweise
schöne Frauenbrüste wölbten, wo sie nur zwei Sommersprossen hatte, und sich
Herrenunterhosen mit länglichen Ausbeulungen präsentierten, deren Träger nur
von der Gürtellinie bis zur Schenkelmitte zu sehen waren, alles andere war
abgeschnitten.
    Die Frauen vom
Babel liehen einander den »Otto« nicht nur des reinen Anschauvergnügens wegen
aus, sondern auch, um diese elegante Welt in ihren eigenen vier Wänden und an
ihrem eigenen Leib nachzuahmen, so weit es ihnen bei den im Vergleich mit den
westlichen Nachbarinnen doch sehr beschnittenen Möglichkeiten gelang. Die
Frauen, deren Männer im Westen unter Vertrag waren, hatten es da einfacher,
und bald präsentierte die Lepka den Freundinnen vom Babel stolz ihr Boudoir,
auf dessen einer Wand eine Fototapete mit Palmenlandschaft prangte, während
sich an der anderen ein künstlicher offener Kamin befand, in dem von
flackernden roten Glühbirnen erleuchtete Plastikholzscheite glühten. Kein
Zweiter verfügte über eine solche Sammlung leerer Getränkedosen wie ihr Sohn
Zbyszek. Die auf Regalen aufgebauten Pyramiden grüner Heinekens, oranger
Fantas und roter Colas entlockten seinen Klassenkameraden größere Begeisterung
als die ägyptischen Pyramiden. Jadzia gefiel alles im »Otto«. Es war dort so
sauber, als gäbe es keinen Schmutz auf der Welt, und die Menschen lächelten
frei von jeder Zahnfäule. Diese deutschen Mädels, die wissen, wie man Ordnung
hält, seufzte sie, denn ihr gelang es nie, auch nicht nach einem ganzen Tag des
Putzens und Desinfizierens, die Wohnung auf dem Babel in den erträumten
Zustand zu bringen. Die deutschen Mädels aus dem »Otto« gehörten in Jadzias
Welt zu einer anderen Gattung als die Nazis, die im letzten Krieg ihre Familie
in Zalesie um ein gutes Dutzend verringert hatten, und es gab nicht mal Fotos
dieser Verwandten, denn sie bissen ins Gras, bevor sie wichtig genug waren, um
sich fotografieren zu lassen. Nur manchmal seufzte sie ein bisschen, wie das
bloß käme, dass die Deutschen, die doch den Krieg angeblich verloren und so
viele Menschen ermordet hatten, jetzt Supermärkte, Otto-Kataloge und Getränkedosen
hatten, während die Sieger Frikadellen aus Paniermehl und gehackter Mortadella
machten. Doch die Ungerechtigkeit der Welt war für Jadzia so selbstverständlich
und unwandelbar wie der Sonnenauf- und -untergang. So ist es eben. Es gibt
die, die was haben, und sie, Jadzia, die nichts hat. Auf Piaskowa Göra hatten
erst alle gleichermaßen nichts, doch das änderte sich schnell, was Stefan aus
der Fassung brachte, Jadzia jedoch nicht wunderte. Solchen wie Jadzia Chmura,
die klein wie ein Sandkorn sind, bleibt nur das Beten zur Schwarzen
Muttergottes, dass es den Kindern gut ergehen möge oder wenigstens nicht
schlechter als den Eltern, dass diejenigen, die an den Fleischtöpfen sitzen,
sie nicht ganz an die Wand drückten.
    Wie für Stefan
das Lottospiel, so wurde für Jadzia die Aussicht auf Dominikas Glück mit einem
Mann wie Erlend von Sinnen in einem nach »Otto«-Vorbild eingerichteten Haus
zum Vorwand für engere Kontakte zu übernatürlichen Kräften. Im Gegensatz zu
ihrem Mann jedoch, der sich nach der Einreichung seiner Bitte um sechs Richtige
langweilte und in der Sonntagsmesse schnarchte, ging Jadzia aufrichtig gern zur
Kirche. Sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen als die

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