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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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zu den Kichermädchen, sie hätten
ja noch alles vor sich. Bestimmt würden sie Glück und Erfolg haben, sie selbst
könne man abschreiben. Das dritte Mal fällt sie, als sie schon auf der Treppe
des Krankenhauses ist, sie wird auf eine Bahre geworfen, nackt ausgezogen,
Rock und Bluse werden ihr vom Leib gerissen. Die Ärzte gucken sie an, machen
eine Ausschabung, hängen sie an den Tropf mit Antibiotika, ohne viel zu reden,
Reden ist nicht ihr Ding, und zwei schlimmere Fälle als Jadzia warten aufs
Messer. Sie stecken sie ins Bett in ein Zimmer mit sechs anderen, zu beiden
Seiten Jadzias je drei, von denen nur zwei stöhnen. Die anderen sind
verhältnismäßig munter, ihnen fehlt nichts Besonderes, eine kleine Infektion,
Komplikationen nach einer Ausbrennung, Fehlgeburten.
    Manche hatten
es nicht eilig nach Hause zu kommen. Iwona am Fenster, die ein hartnäckiger
Polyp hier festhält, erklärt, dass sie sich im Krankenhaus ganz gut erholt, sie
plaudert, sieht entspannt fern. Einen solchen schneegestöbernden
Schwarzweiß-Fernseher gab es nur in ihrem Zimmer, und auch aus den
benachbarten Stationen kamen Patientinnen zu ihnen, ihre Metallkreuze mit dem
Tropf hinter sich herziehend. Die aus der Pathologie kamen mit Geschichten von
zweiköpfigen Embryos, die aus vier Augen blinzelten und mit doppelter
Extremitätenausstattung strampelten. Madonnen aus der Onkologie bewältigten den
Everest der zwei Stockwerke und ließen sich schwer atmend auf den Bettkanten
nieder, bevor sie überhaupt etwas sagten, denn sie waren die schwächsten und
außerdem zum Aussterben verurteilt. Jadzias Entzündung erwies sich als
ernster als angenommen, und sie wurde nicht nach zwei Tagen entlassen, wie man
ihr anfangs versprochen hatte. Sie mauschelten, wiegten die Köpfe, vielleicht
eine Perforation, und wenn ja, dann hieße das Operation. Sie sollte nur liegen,
wie es ihr bequem war, und nicht herumhüpfen; Oberarzt Rosen - er trug unter
den grünen Leinenhosen keine Unterhosen, und die Patientinnen erzählten sich
von den Wundern, die sich da ausmachen ließen - klopfte ihr auf den Schenkel.
So ein Witzbold war er, immer lässig. Nach drei Tagen kannte Jadzia schon die
Kreuzwege der anderen Patientinnen. Sie hatte Narben gesehen und kannte die
Maße der Myome, Zysten und Missbildungen. Manche waren öfter als dreimal
gefallen, andere brauchten gar nicht mehr aufzustehen und hatten auch keine
Wiederauferstehung zu fürchten. Die rote Gabrysia aus der Onkologie zum
Beispiel, die dauernd von einer Urlaubsreise nach Bulgarien redete; wenn die
nach Bulgarien käme, dann nur mit den Füßen zuerst. Nach einer Woche waren sie
wie eine Familie, sie stritten sich, klauten einander Zigaretten, kannten die
Vornamen der Kinder und die Zukunft, die man sich für sie erträumte, eine
schöner als die andere, und noch nichts war Wirklichkeit.
    Sie saßen
gerade hockend an die Wand gelehnt auf dem Klo, weil sie sich noch nicht auf
den Beinen halten konnten, und rauchten, als Gabrysia, die alle Bulgaria
nannten, mit ihrem Kreuz hereinschob und hauchte: Karol Wojtyla! Sie legten die
Arme umeinander, aus denen die Kanülennadeln staken, Brust an Brust und Bauch
an Bauch schmiegten sie sich aneinander, ein Schlachtfeld der Wunden und
Narben. Denn am sechzehnten Oktober war ein Pole Papst geworden. Jetzt würde
alles anders, alles besser! Die Russkis werden jetzt wütend sein, sagte
Gabrysia Bulgaria, blies den Rauch durch die Nase aus und setzte hinzu, was
sie anginge, würde sie im Sommer sowieso nach Varna in Urlaub fahren. Abends
nach der Visite gab es hausgemachten Johannisbeerwein, Bischof und, ein Leckerbissen,
Krakus-Dosenschinken auf Brot. Den Schinken hatte die dicke Gemüsefrau mit den
Myomen aus dem Nachtschränkchen gezogen und damit zum ersten Mal Großzügigkeit
unter Beweis gestellt. Sie rauchten am offenen Fenster, durch das die
Sternennacht hereindrang, und gegen Mitternacht fingen sie an zu singen. Am
besten klappte die »Schwarze Madonna«, und sie bedauerten, dass keine von ihnen
eine Gitarre dabeihatte. Am ersten Tag des Pontifikats im Vatikan ging es Jadzia
besser, und ihr Fieber sank. Bald wurde sie entlassen, etwas schlanker und
schwächer als zuvor, doch lebensfähig. Wie neu, aber noch eine Woche lang nicht
hopsen, sagte Oberarzt Rosen zwischen ihren Schenkeln und kniff sie in den
Hintern. Der war immer bei Laune. Eines Tages werd ich wegen euch noch selbst
vermösen, sagte er zu seinen Patientinnen und erfreute sich

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