Bator, Joanna
der schrillen Stimme zärtlich in den Armen
hielt. Der Hund wurde Oskar gerufen. Oskar! Was war das überhaupt für ein Name
für einen Hund?
Die Hausfrauen
vom Babel wussten, dass gegen Schwalben am besten Plastikbeutel helfen. Diese
wurden so in den Rahmen geklemmt, dass sie in der Ecke des Fensters knatterten.
Der Wind blähte sie auf, dann sahen sie aus wie die Lungenblasen von
Riesenfischen. Wenn der Wind stärker wehte, bebte der ganze Babel, in den
Wohnungen fiel der Putz von den Wänden und platzten die Scheiben, weil sich das
Haus mit Hilfe der aufgeblähten Vogelscheuchen in die Lüfte erheben wollte.
Doch die Schwalben waren hartnäckig, jedes Frühjahr kamen sie wieder und
versuchten, an den Fenstern ihre Nester zu bauen. Ganze Schwärme kreisten um
die Südseite des Babelblocks empor und stießen piepsend herab. Wo keine
Vogelscheuche hing, erschien im Handumdrehen das halbrunde Fundament eines aus
Lehm und Speichel geformten Nests, und die Hausfrauen schlugen sich vor die
Stirn, schschsch! machten sie, rissen die Fenster auf und fuchtelten mit den
Armen. Vollscheißer, sagte Jadzia ärgerlich, guck mal — sie zeigte der Tochter
die Vögel -, da sind diese Vollscheißer schon wieder, und sie ließ die
Schwalben erst gar nicht mit dem Nestbau beginnen. Sie erklärte Dominika, dass
es ganz schmutzige Vögel seien, und wer sollte ihre Scheiße denn wegmachen? Und
da stehen diese beiden Kerls, die zu den Vögeln reden, mit ihrem auf Löwe
getrimmten Pudel, der mal dem einen, mal dem anderen übers Gesicht leckt. So
etwas hatte Jadzia in ihrem Leben noch nicht gesehen. Von der Trennwand ihres
Balkons verdeckt schielte sie zu ihnen hinüber und tat dabei so, als richte sie
die Wäsche auf dem Trockner oder gieße die Geranien. Angelockt vom Geräusch
schleichender Schritte klemmte sie das Auge an den Saugnapf des Spions und
schaute in die verlängerte Perspektive des Korridors, um sich hinterher mit
einer Mischung aus befremdendem Neid und Widerwillen zu wundern, wozu Lepki
früh am morgen wieder zu diesen Homo-dingsbums schlich.
Homo-dingsbums,
so nannten sie auf Piaskowa Göra die Nachbarn von Familie Chmura, aber man
musste das auf eine ganz bestimmte Weise aussprechen, nicht einfach so. Nicht
so wie Brot, Alte, Kerl, sondern so, dass sofort zwischen einem selbst und dem Homo-dingsbums
eine Grenze errichtet wurde, als ende das Ausgesprochene mit einem abrupten
Schnauben, dem Verdrehen der Augen wie auf einem Heiligenbild, damit sich auch
nicht das kleinste Fitzelchen der Homo-dingsbumsigkeit ins Innere des
Sprechenden verirren konnte. Man machte sich lustig über die Halstücher des
Kleineren und den Schnurrbart des Größeren, darin lag eine Art Gutmütigkeit,
die auf der schmalen Grenze zwischen Duldung und Hass balancierte. Wenn sie
wenigstens normal aussähen. Aber dieses Schnurrbärtchen! Ach wie dieses dünne,
glattgeschniegelte Schnurrbärtchen die Buschigschnauzbärtigen vom Babel
irritierte, wie seine spitzen Endchen wider den Stachel des urigen polnischen
Schnauzes lockten, dass man meinen konnte, sie kitzelten einen am Ohr. Kein
Krümelchen darin, wohl auch nie in Bier getaucht. Ein nicht ganz einheimisches
Schnäuzerchen, französisch angehaucht oder italienisch, schwarz war es, auf
Hochglanz pomadisiert. Und wie sie rochen, diese Homo-dingsbums, wie Unjungs!
Die Lepka erzählte Jadzia, sie habe gesehen, wie sie in der Drogerie am Babel
Deodorant »Basia« gekauft hatten. Sie hatte hinter ihnen gestanden, sie konnte
es beschwören, und zwar jeder zwei, für die zweite hatten sich beide ganz
hinten an der Schlange wieder angestellt. Alle hatten gelacht, denn ein
normaler Mensch fragt sich ja, wohin so ein Homo-dingsbums sich wohl Basia
spritzt und warum. Fft fft, die Lepka tat so, als besprühte sie sich die
Unterhose vorne und hinten und verrenkte dabei ihre massigen Hüften. Wusste
sie, dass Lepki die Homo-dingsbums besuchte? Mit einem ihr selbst
unbegreiflichen Gefühl der Genugtuung beschloss Jadzia, nichts davon zu sagen,
ihr war, als teile sie jetzt mit den Nachbarn ein Geheimnis. Die Mütter vom
Babel verboten ihren Kindern, mit einem Homo-dingsbums im Fahrstuhl zu fahren,
doch dieses Verbot galt in erster Linie für die Jungen, denen normalerweise
weniger verboten wurde als den für schädigende und verderbende Einflüsse
wesentlich anfälligeren Mädchen. Aber ein Homo-dingsbums war etwas anderes. Die
Mädchen hatten bei ihnen nichts zu fürchten, für alle Fälle sollten aber
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