BattleTech 08: Woelfe an der Grenze
anderes.«
Minobu hielt inne, um nachzudenken. Jaime war ein strategisches und taktisches Genie, der die Intuition und die Menschenkenntnis hatte, die ein erfolgreicher General haben mußte. Er war außerdem ein großartiger Krieger, der über zwanzig Jahre lang durch die harte Schule der Nachfolgerkriege geschliffen worden war. Trotz alledem war er nicht dazu in der Lage, das Wesen des Bushido zu erfassen, um die spirituelle Natur des Samuraicodexes richtig einschätzen zu können.
»In den alten Zeiten war das Schwert eines Samurais seine Seele. Es war ein Teil von ihm, ein Kanal, durch den sein Ki fließen konnte. Heutzutage tragen wir Samurai des Hauses Kurita die Schwerter nur noch als Symbole. Die BattleMechs haben die Stelle des Samuraischwerts als Kanal für das Ki eines Kriegers eingenommen. Ein MechKrieger besteigt seinen Mech und wird buchstäblich eins mit ihm. Es ist eine Symbiose, die die alten Samurai mit ihren Schwertern nie erreichen konnten.
Nicht alle Krieger sind Samurai und kanalisieren ihr Ki durch ihren Mech. Nicht alle Samurais haben den Mech, der am besten zu ihnen passen würde. Meistens kommen die Zuweisungen von unwissenden Bürokraten.
Das Modell spielt keine große Rolle. Was wirklich zählt, ist der Krieger, der den BattleMech steuert. Der Geist des Kriegers ist die eigentliche Stärke, nicht die Technik.«
Minobu schaute Jaime in die Augen. Er konnte das Fehlen wahrhaftigen Begreifens darin lesen, aber ein Schimmer der Einsicht war doch vorhanden. Wenn Jaime den Codex auch nicht verstehen konnte, er respektierte ihn zumindest und auch alle die, die ihn befolgten. Jaimes eigener Codex mochte anders sein, aber er bewegte sich dennoch auf dem Pfad der Ehre, und das respektierte Minobu. Auf diesem gegenseitigen Respekt hatten sie ihre Freundschaft aufgebaut. Ihre Hingabe an die Ehre hatten die beiden Krieger trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft und trotz allem, das sie voneinander nicht wußten oder am anderen nicht verstehen konnten, zusammengeschweißt.
»Und was den Mech betrifft, der nicht zu seinem Piloten paßt«, sagte Minobu, »sieh dich doch selber an. Ein Schütze scheint mir nicht die beste Wahl für den Kommandanten der größten und erfolgreichsten Söldnereinheit der Inneren Spähre.«
»Damit könntest du recht haben. Sicher, es hat Zeiten gegeben, da hätte ich gerne etwas Stärkeres oder Schnelleres gehabt. Es ist eine Frage des Prestiges. Die Dragoner haben eine Menge Schützen, und zwar ausschließlich unser Spezialmodell. Es ist fast schon ein Erkennungszeichen. Die Tatsache, daß ich einen davon steuere, gibt den Truppen eine Identifikationsmöglichkeit mit ihrem Kommandanten.
Das solltest du dir merken, jetzt, wo du ebenfalls Kommandant bist.«
»So ka. Jetzt bist du der Sensei.«
»Nein«, sagte Jaime kopfschüttelnd. »Nein, ich bin kein Lehrer. Ich bin ein Macher. Es ist viel los da draußen. Zu viel, das gemacht werden muß. Vielleicht bekommst du von Zeit zu Zeit einen freundschaftlichen Rat, wie jetzt gerade, aber ich kann nicht dein Lehrer sein.« Ein gewisser Unterton hatte sich in Jaimes Stimme geschlichen, als würden längst vergangene Tage vor seinem Gedächtnis Revue passieren. »Das Schlachtfeld ist der wahre Sensei, der einzige Weg, wie man zu kommandieren lernt.«
»Wenn du das wirklich glaubtest, gäbe es bei den Dragonern kein Trainingskommando mit seinen Lernprogrammen.«
»Nicht unbedingt. Manche Dinge kann man durch Übung lernen. Muß man lernen. Für deine Kywdokunst ist ständiges Üben notwendig. Dasselbe gilt für alle Fertigkeiten eines Kriegers.
Die Kunst des Kommandierens ist mehr als nur eine beliebige Fertigkeit. Man kann einen Menschen nicht darauf trainieren, Entscheidungen in Sekundenbruchteilen zu treffen und mit den Konsequenzen zu leben. Das muß jeder Mensch für sich alleine lernen. Wenn er es nicht schnell genug lernt, oder wenn er nicht erkennt, daß er es nie lernen wird, sterben gute Leute. Und trotzdem muß er damit leben.« Wolf hielt inne und atmete tief durch. Er schien wieder zu sich und zur Gegenwart zurückzufinden. »Touche, Minobu. Du hast deine Lektion von Sensei Wolf erhalten. Aber nach dem Ausdruck in deinen Augen zu urteilen, habe ich dir wohl nichts Neues erzählt.«
»Ein Mensch braucht das Gefühl, daß er nicht alleine ist, selbst wenn er weiß, daß er es nicht ist.«
»Aha, die Weisheit des Drachen.« Der neckische Unterton war wieder da und überspielte die offengelegten Gefühle. »Mein Freund, wir
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