BattleTech 09: Ein Erbe für den Drachen
schaute aus dem Fenster. Als die Verbindung stand, eröffnete der Synthesizer das Gespräch mit dem ComStar-Akoluthen, der den Anruf beantwortete. Im Nordosten stieg Rauch auf. Durch die Entfernung leise und gedämpft drangen Kampfgeräusche durch das offene Fenster.
»Das wird Chokei sein«, befand Nezumi. »Er war schon immer etwas übereifrig.«
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Regierungszentrum, Nevcason, Wega Militärdistrikt Dieron, Draconis-Kombinat
11. Juli 3039
Generalhauptmann Kathleen Heany verzog das Gesicht, als die Gruppe lachender Offiziere den Raum betrat. Nicht etwa, weil sie Anstoß an ihrer guten Laune nahm. Der Erfolg, der ihrer Invasion beschieden war, gab weiß Gott Anlaß genug zu einer gewissen Beschwingtheit.
Nein, nicht die jungen Offiziere machten ihr zu schaffen, sondern die Art und Weise, wie Feldmarschall Nondi Steiner sie behandelte. Diese Burschen und ihre Ebenbilder in den Commonwealthstreitkräften waren die Blondhaarigen, die Goldkinder, die in jeder Beziehung eine bevorzugte Behandlung genossen. Noch schlimmer war jedoch, daß ihre Ideen bei General Steiner und dem Rest des Oberkommandos auf offene Ohren stießen — Ideen, die durch davionistisches Gedankengut vergiftet waren.
Ymirs Schwert! Sogar ein ausschließlich aus Nagelring-Absolventen bestehendes Oberkommando wäre leichter zu ertragen gewesen.
Nondi und ihre Clique ignorierten den vernünftigen und bewährten Rat von Offizieren wie ihr. Statt dessen wurden sie und viele ihrer Altersgenossen zu den Stäben versetzt und mit Ehrungen überhäuft. Ein armseliges Dankeschön für begabte und loyale Menschen, die sich in Davions Krieg gegen die Capellaner mit Auszeichnung geschlagen hatten, Soldaten, die die Hauptlast der Operation Götterdämmerung getragen hatten und dann von den Politikern betrogen worden waren, die schwer erkämpfte Gewinne einfach wegwarfen.
Tja, seufzte sie innerlich. Die Wege des Herrn sind unergründlich.
Heany ließ ihren Blick im Raum umherschweifen. Das helle Sonnenlicht lieferte eine mehr als ausreichende Beleuchtung für den großen quadratischen Raum, obwohl es durch die riesige getönte Vitrylscheibe abgeschwächt wurde. Sie schenkte den schicken Möbeln und hübschen Dekorationsgegenständen wenig Beachtung. Vielmehr interessierten sie die versammelten Offiziere. Sie standen in kleinen Grüppchen herum und unterhielten sich oder saßen auf den gepolsterten Armsesseln, mit denen der Raum ursprünglich möbliert war, oder auf nachträglich aufgestellten Klappstühlen.
Ihr gegenüber, auf der anderen Seite des Zimmers, saß ihr alter Rivale Patrick Finnan allein da und schaute so griesgrämig drein, wie sie sich fühlte. Er hatte sich von diesem Kurita-Jüngelchen ebenfalls ziemlich vorführen lassen. Die Witzbolde in den Medien hatten die Fehler, die er gegen den grünschnäbligen Erben des Drachen gemacht hatte, groß herausgestrichen. Sie wußte, wovon sie sprach, denn ihr war dieselbe Behandlung widerfahren. Das gemeinsame Schicksal rief in ihr fast so etwas wie Sympathie für den zähen Nagelring-Absolventen wach.
Ihr Gedankengang wurde unterbrochen, als sich die großen Doppeltüren des Raumes öffneten und Nondi Steiner eintrat. Der Feldmarschall bedeutete den versammelten Offizieren, die bei ihrem Eintreten zum Salut aufsprangen, wieder Platz zu nehmen. Sie ging zu einem zierlichen importierten Mahagonitisch, wo Heany und der Rest des Stabes warteten, und stellte ihr Computerdeck ab, bevor sie das Wort an die Versammlung richtete.
»Guten Morgen, meine Damen und Herren. Es freut mich, Sie alle fit und ausgeruht zu sehen. Das müssen Sie nämlich auch sein.« Für eine Sekunde verfinsterte sich ihr Gesicht, bevor es sich zu einem Grinsen verzog. »Heute morgen haben wir das Startzeichen für die zweite Welle bekommen.«
Der ganze Raum brach in enthusiastische Jubelrufe und wüstes Gegröle aus. Heany wurde von einer Woge der Erregung gepackt, die sie momentan vergessen ließ, daß sie wenig Anteil an der Offensive haben würde.
Trotz des Tumults vernahm sie einen einzelnen Knall. Ein Gewehrschuß? Ungläubig drehte sie sich zum Fenster um. Viele andere hatten das Geräusch ebenfalls gehört. Hälse verrenkten sich auf der Suche nach einer Erklärung.
Heany erhaschte einen kurzen Blick auf einen Steiner-Infanteriehelm, der am Fenster vorbeifiel. Einen Augenblick später klatschten drei klumpige Gegenstände gegen das Fenster und blieben dort haften. Heany konnte dünne Drähte erkennen, die von den drei
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