BattleTech 09: Ein Erbe für den Drachen
andere, schwerer verletzte Offiziere Hilfe. Sie lehnte sich gegen den umgestürzten Tisch und sah sich um. Beim Anblick des zum Schlachthaus gewordenen Konferenzraums rebellierte ihr Magen.
So viele! Sie zählte Köpfe und hielt nach Gesichtern Ausschau, die sie kannte. Finnan kümmerte sich um seinen aufgeschlitzten Arm, während er darauf bestand, daß der Medtech, der ihn zu bandagieren versuchte, seinen Dienstgrad ignorierte und sich um die Schwerverwundeten kümmerte. Brian Kincaid und Willy Thompson zählten zu denen, die nur ein paar Schrammen von umherfliegenden Splittern abbekommen hatten. Uliosha Donovan lag mit halb weggerissenem Kopf und kaum noch als solchem kenntlichen Körper in einer riesigen Blutlache. Viel zu viele Körper regten sich nicht. Viel zu viele von den Toten waren junge Offiziere. Sie bedauerte ihre frühere Antipathie. Sie waren zu jung, um so zu sterben.
Völlig verdutzt registrierte Heany plötzlich, daß sie jetzt der ranghöchste Offizier war.
Kurita durfte aus dieser Greueltat keinen Nutzen ziehen. Sie würde das Kommando übernehmen müssen. Die Offensive war zu wichtig, und den Schlangen mußte eine Lehre erteilt werden.
Eine derartige Demütigung des Offizierskorps konnte nur ein Zeichen Gottes sein. Er hatte seinen Willen kundgetan, indem er sie zum ranghöchsten Offizier gemacht hatte. Sie bekam jetzt Gelegenheit, nicht nur dem Oberkommando, sondern der gesamten Inneren Sphäre zu beweisen, daß die Fehlschläge bei der Operation Götterdämmerung nur auf Zufälle zurückzuführen waren. Sie würde ihnen zeigen, daß die alte Methode die beste war.
»Reißt euch zusammen! Leute. Alle, die sich bewegen können, nach unten ins Operationszentrum! Wir haben noch einen Krieg zu führen.«
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Bezirk West-Cerant, An Ting
Militärdistrikt Galedon, Draconis-Kombinat
9. August 3039
Marshal Ardan Sortek biß noch ein Stück von seinem dunkelbraunen Konzentratriegel ab, der sich dem Allgemeinzustand im Cockpit seines Victor angepaßt zu haben schien und wie abgestandener Schweiß schmeckte. Der Mech war schon zu lange ohne zwischenzeitliche Systemüberholung im Einsatz. Er unterdrückte ein Gähnen und kam zu dem Schluß, daß ihm ebenfalls etwas fehlte: Schlaf. Ja, ja, die Freuden des Lebens im Felde.
Wenn der einzige Preis des Krieges seine Unbequemlichkeiten waren, würde er ihr gern bezahlen, um die endlosen Intrigen am Davion-Hof nicht mehr ertragen zu müssen. Die jahrelangen Intrigenspiele hatten ihn versierter darin gemacht, aber sie gefielen ihm deswegen keinen Deut besser. Er war erleichtert, wieder eine Fronteinheit zu befehligen, und erfreut, daß diese Einheit die Erste Davion Guards war. Der Krieg war trotz der zahlreichen Opfer und taktischen Täuschungsmanöver sauberer als die Hofintrigen. Man fühlte sich einfach weniger beschmutzt.
Hier auf An Ting hatte sich der Krieg zu sehr von seiner schlechten Seite gezeigt: Zuviel Tod und Schmerz und Leiden. Entgegen allen Schätzungen des Geheimdiensts waren die Draconier auf den Angriff vorbereitet gewesen. Ihre konventionellen Regimenter hatten in vorbereiteten Stellungen gelegen und den Angriff der Davions erwartet. Die Mechs der Dracos waren bislang immer nur in Erscheinung getreten, um Durchbrüche der Davions zu stoppen, und dann wieder verschwunden. Trotzdem waren die Kämpfe grausam, und mit jedem Tag, der verstrich, fielen sie weiter hinter Prinz Hanses Zeitplan zurück.
Scouts hatten gemeldet, daß sich bei den Kuritas in den westlichen Bergausläufern etwas rührte. Sortek hatte sich die Sache persönlich ansehen wollen und sich in seinem Victor auf den Weg gemacht. Dreißig Kilometer hinter den Linien fühlte er sich sicher genug, um ohne Begleitschutz zu marschieren. Seine Zuversicht geriet ins Wanken, als er einen Vedette-Panzer über den Rücken des Hügels vor ihm rollen sah. Der Panzer gab kein für den Computer des Victor lesbares IFF-Signal ab.
Er hatte seinen Munitionsvorrat nicht auffüllen lassen, und außerdem lief der Victor heiß, da die Funktionstüchtigkeit seiner Wärmetauscher immer noch durch die Treffer beeinträchtigt war, die er bei der Schlacht letzte Woche hatte hinnehmen müssen. Ein Kampf war im Augenblick das letzte, was er wollte. Vorsorglich machte er die Laser feuerbereit und öffnete die Munitionszuführung für die Pontiac 100 Autokanone am rechten Arm des Victor. Optimistisch behielt er seine Marschrichtung bei. Wenn es ein Panzer aus den eigenen Reihen war, konnte seine
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