BattleTech 14: Jade Phoenix-Trilogie II - Blutrecht
berühmt war, ließ Nomad keine Chance aus, Joanna auf Schwächen oder Fehler hinzuweisen.
»Ein kleiner Anfall von Hyperraumkrankheit?« fragte er sofort. »Oder haben Sie an der Stange Turnübungen gemacht?«
»Kein Anfall. Wie oft habe ich dich wegen deiner Grobheiten schon gemeldet?«
»In der letzten Zeit? Oder überhaupt?«
»In der letzten Zeit.«
»Fünfmal, soweit ich mich entsinne.«
»Du hättest es mindestens dreimal so oft verdient gehabt. Ich verstehe nicht, warum du bleibst. Du hättest dich längst versetzen lassen können.«
»Mir gefällt es hier.«
»Bist du ein Fluch, den jemand mir auferlegt hat?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Vergiß es.«
In Nomads Blick lag das übliche sarkastische Glitzern. Seine Augen waren so hell, daß die Iris im Kontrast mit der dunklen Haut kaum zu erkennen war. Er war kahl, schon seit einiger Zeit. Als ihre Zusammenarbeit begonnen hatte, war sein Kopf von hellbraunem Haar bedeckt gewesen. Sie waren ausgezogen, um nach Kadett Aidan zu suchen, der zum AsTech zurückgestuft worden und von der Ausbildungswelt Ironhold geflohen war. Dünner war er damals auch gewesen.
Als Joanna ihren Dienst als Ausbilderin auf Ironhold abgeschlossen hatte, war Nomad zufällig ihrer Einheit als ChefTech zugeteilt worden. Sie hegte keinen Zweifel daran, daß es seiner effizienten Überwachung der Wartungs- und Reparaturteams zu verdanken war, daß ihre Einheit so wenige Mechs verlor. In der ersten Zeit hatte sie alle Anstalten, die er machte, eine Versetzung zu beantragen, abgeblockt. Aber irgendwann war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie seinen konstanten Sarkasmus nicht mehr ertragen konnte, ungeachtet seiner unschätzbaren Fähigkeiten. Sie hatte ihm erklärt, daß sie jeden Versetzungsantrag, den er einreichte, unterstützen würde, egal wohin. Seitdem hatte er keinen Antrag mehr gestellt.
Sie hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, ihn zu töten. Aber wie? Er hatte ein dickes Fell und ließ sich nicht zu einem Kampf provozieren. Außerdem haftete einem Kampf mit dem eigenen ChefTech etwas Ehrloses an, selbst wenn er im Kreis der Gleichen möglich war. Es wäre möglich gewesen, ihn während eines Gefechts bewußt in Gefahr zu bringen, aber das widersprach ihrem Moralgefühl. Und Mord war ausgeschlossen. Also mußte sie ihn am Leben lassen. Schlimmer noch, Joanna wußte, wenn sie ihn während der Schlacht in Gefahr sähe, würde sie ihn retten. Wie oft hatte sie sich schon gefragt, was für einen Wert der Rang des Sterncaptains hatte, wenn man nicht einmal seinen ChefTech loswerden konnte?
Andererseits verdankte sie ihren Erfolg als Offizierin teilweise Nomads Leistungen. Sie konnte ohne Schwierigkeiten mehrere Scharmützel nennen, bei denen die provisorischen Feldreparaturen Nomads und seiner Mannschaft den Ausschlag gegeben hatten. Ein unfähiger oder gleichgültiger ChefTech konnte einen Stern zugrunde richten.
»Ich werde dich nicht los, Nomad, franeg?«
»Neg. Wir könnten genausogut ein Liebespaar werden.«
»Keine Blasphemie. Ich würde nie mit einem Tech ins Bett steigen, das weißt du.«
»Ja. Krieger haben keinen Sex mit niedrigeren Kasten?«
»Ist das Sarkasmus? Du weißt, daß sie es tun. Aber ich nicht.«
»Moralische Bedenken?«
»Ekel. Du bist nicht anziehend, Nomad.«
Der ironische Ausdruck in seinen Augen blieb, aber die Antwort brachte ihn zum Schweigen. Joanna hätte das Schweigen gerne beibehalten, aber sie mußten arbeiten.
Sie und ihr Trinärstern aus fünfzehn Mech-Kriegern sollten auf Station Glory die Mech-Krieger des Trinärsterns Sturm ablösen. Nomad überprüfte jeden Tag die Kokons, in denen die Kampfkolosse der Einheit lagerten, bevor er sich bei ihr meldete. Natürlich war alles in Ordnung. Es war Routine, Routine von der Art, die Joanna vor Langeweile nervös machte.
Es kursierten Gerüchte, nach denen die Invasion der Inneren Sphäre kurz bevorstand. Sie hoffte, sie entsprachen der Wahrheit. Clan-Krieger kämpften häufig, das stimmte, aber es waren nur kleine Scharmützel, triviale Gefechte über planetare Territorien oder genetisches Material. Es war eine Methode, die kämpferischen Fähigkeiten zu schärfen, aber für sie war das nie genug gewesen. Sie verlangte nach einer gewaltigen Feldschlacht, nach Ruhm und Heldentum. Das war der Sinn eines Kriegerlebens. Beim heiligen Namen Nicholas Kerenskys schwor sie, nicht in einem unwichtigen Schlagabtausch zu sterben oder Kanonenfutter zu werden wie so viele alte Krieger, deren Fähigkeiten nachgelassen
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