BattleTech 18: Das Antlitz des Krieges
alltäglichen Welt in ein Reich, in dem man mehr von ihm erwarten konnte.
Masters erreichte den Fuß seines Mechs. Die Maschine ragte zehn Meter hoch auf. Ohne nachzudenken, kletterte er die Leiter an der linken Seite des Mechs hinauf. Die Metallsprossen fühlten sich unter seinen bloßen Füßen seltsam an, unerwartet kalt und glatt.
Seine Gedanken bewegten sich zu seiner Mutter, Jean Masters, einer der berühmtesten MechKriegerinnen der Marik-Miliz. Sie war nicht nur für ihre Gewitztheit im Feld und ihre Eleganz in Friedenszeiten bekannt gewesen, sie hatte sich auch häufig mit ihren Vorgesetzten angelegt und versucht, die Gefechtsfeldetikette der MechKrieger aufrechtzuerhalten, während die anderen Krieger sie dem ›Fortschritt‹ opferten.
»Die Zeiten ändern sich, Jean«, hatte er zahllose Offiziere und MechKrieger zu ihr sagen hören. »Wenn du dich nicht mit ihnen änderst, wirst du überrollt.«
Sie änderte sich nicht, und sie wurde überrollt. Immer wieder wurde sie bei Beförderungen übergangen, denn letztendlich war sie eine Unruhestifterin. Sie hatte ihrem Sohn immer erklärt, es mache ihr nichts aus, nicht befördert zu werden, aber in ihren Augen hatte er gesehen, daß dem nicht so war. Trotzdem hatte er nie geglaubt, daß sie nur ihrer selbst wegen traurig war. Wenn sie sich stritt, dann stritt sie für den verlorengegangenen Geist des MechKriegers, für das Schicksal von Menschen in der gesamten Inneren Sphäre, die so im Augenblick gefangen waren, daß sie nicht erkannten, wohin ihr Handeln führen konnte.
Paul Masters hatte sich geschworen, die Ideale seiner Mutter niemals zu verraten, und er hatte sein ganzes Leben an ihren Prinzipien festgehalten. Aber ganz genau hatte er eigentlich nie verstanden, was sie gemeint hatte – ihm hatten die richtigen Begriffe gefehlt.
Er erreichte den Kopf des Feuerfalke, öffnete das Kanzeldach und ließ sich ins Cockpit hinunter. Als er auf der Pilotenliege saß, holte er mit einem Knopfdruck die Leiter ein und senkte langsam das polarisierte Kanzeldach. Vor ihm rahmten die dunklen Kontrollen und Anzeigelämpchen die Sichtscheibe ein, durch die er den Palast sehen konnte. Der Mech würde erst zum Leben erwachen, wenn er den Neurohelm anlegte, der ihm gestattete, die Maschine zu steuern, und der Bordcomputer sein Stimmuster und den geheimen Autorisationscode überprüft hatte.
Er legte die Hände um die Steuerknüppel. Ein seltsames Gefühl überkam ihn. Hier in der Dunkelheit, im Morgenmantel, die Gedanken voller Bilder von Malorys Rittern, fühlte Masters sich in riesenhafte Dimensionen wachsen. Er fühlte seinen Körper bis an die Grenzen des Cockpits wachsen und – darüber hinaus – die Umrisse des Feuerfalke annehmen. Er war zu großen Taten bereit. Sein Atem ging schneller. Alle militärischen Texte, die er je gelesen hatte, wirbelten ihm durch den Kopf. Er hungerte nach den Idealen, die das Militär sooft für sich beanspruchte und so selten fand. Der Gral, oder zumindest sein Gral, war ein Verhalten, das ihm gestattete, seinen Beruf auszuüben. Töten konnte nicht gut sein, aber er war gut darin. Dafür benötigte er Vergebung, und einen Kompaß, der ihm half, diese Vergebung zu finden.
Seine Mutter hatte ihn gelehrt, daß ein BattleMech eine Erweiterung des Mannes oder der Frau in der Pilotenkanzel war. Jetzt verstand er, was sie gemeint hatte. Das war das Besondere an einem humanoiden Mech. Er war mächtig, überlebensgroß. Ein Riese. Egal, wie gut ein Krieger die Waffen eines Mechs einsetzen konnte, wenn das alles war, blieb er nichts als ein Diener der Maschine, hatte sie ihm erklärt. Ein MechKrieger mußte einen Geist haben, der die Maschine erfüllte, so wie Arthurs Ritter über sich selbst hinausgewachsen waren und über die Plattenrüstungen, in denen sie auf ihren riesigen Streitrössern saßen.
Aber ein BattleMech ist so gewaltig, dachte Masters. Wie können wir eine solche Rolle jemals ausfüllen? Dann erkannte er die Antwort. Mit der immer weiter wachsenden Technologie, die drohte, die Menschen, die sie benutzten, unbedeutend werden zu lassen, mußte auch der menschliche Geist wachsen, mußte mit den Fortschritten der Maschinen Schritt halten. Er war sich nicht sicher, aber möglicherweise war das der Grund, weshalb Kriege außer Kontrolle gerieten. Die Menschen hatten aufgegeben, hatten ihre Seele den Maschinen überschrieben, hatten zugelassen, daß die Waffen die Rolle derer an sich gerissen hatten, die sie hätten führen
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