BattleTech 43: Der Kriegerprinz
Miene sah Victor einen Widerstreit der Gefühle. Entsetzen und Belustigung schienen sich irgendwie die Waage zu halten, und das fand Victor furchterregen- der, als es eines von beiden Extremen hätte sein kön- nen.
Jorgenssons Stimme war leise. »Die Wölfe, oder zu- mindest manche von ihnen, sind bekannt für ihren Wankelmut.«
Victor nickte. »Ist das eine Eigenschaft, die sie mit den anderen Clans teilen, oder kann ich meine Leute einschiffen und auf die Monate der Heimreise vorbe- reiten?«
Jorgensson lächelte. »Es besteht kein Anlaß zu Dro- hungen, weder zu verdeckten noch zu offenen, Prinz Victor Steiner-Davion. Ihr habt uns herausgefordert und besiegt. Das genügt. Ihr wolltet Frieden, ihr habt Frieden.«
»Nein, meine Khane«, antwortete Victor zufrieden. »Wir haben Frieden. Es ist zwar nur ein kleiner Unter- schied, aber ich bin sicher, ihr werdet ihn im Laufe der Zeit schätzen lernen.«
16
Befehlsposten der Sternenbund-Expeditionsstreitkräfte, Lutera-Enklave, Diana
Kerensky-Sternhaufen, Clan-Raum
18. Juli 3060
Tiaret Nevversan immer eine Schattenlänge hinter sich, wanderte Victor mit Sir Paul Masters von den Rittern der Inneren Sphäre durch die Straßen von Lutera. Auf der Nordhälfte Dianas war der Herbst eingekehrt, und die Blätter der wenigen noch stehenden Laubbäume verfärbten sich golden und rot. Abgesehen von dem bereits herabgefallenen Laub wirkten die Straßen der Stadt unter dem grauen Himmel sauber und überra- schend leer.
Victor sah den größeren Mann an. »Sie haben gute Arbeit geleistet, Sir Paul.«
»Die Chance, beim Wiederaufbau dessen zu helfen, was wir zerstört haben, gefiel mir.« Der blonde, blau- äugige Ritter runzelte leicht die Stirn. »Ich verstehe, warum Sie einige der Ruinen als Erinnerung belassen wollen, aber es ist soviel in Schutt und Asche gelegt worden. Wir könnten hier noch viel mehr tun.«
Der Prinz blickte durch das Loch in der Stadt, an dem einst die Befehlszentrale der Nebelparder gestan- den hatte. Davor lagen mehrere Gebäude, die stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren, als das HQ- Gebäude zusammenbrach und auf den Paradeplatz stürzte. »Es stimmt, Sie könnten hier wahrscheinlich mehr tun. Aber ich will nicht, daß das geschieht. Die Menschen, das wissen Sie so gut wie ich, haben die Fähigkeit, ihre schlimmsten Ängste und Erinnerungen zu verdrängen. Selbst etwas wie dies hier wird irgend- wann alltäglich werden. Ich möchte, daß alles so bleibt, wie es ist, damit die Leute, die hier leben, und diejenigen, die in unsere Enklave kommen, die Erinnerung ständig vor Augen haben. Selbst wenn es nur die Un- bequemlichkeit ist, einen Umweg zu nehmen, um eine verschüttete Straße zu umfahren, oder in einem Re- staurant zu sitzen und auf Ruinen blicken zu müssen. Ich will nicht, daß sie vergessen.«
»Nach allem, was wir ihnen hier angetan haben, glauben Sie, sie könnten vergessen?« Masters' Stimme troff vor vorwurfsvollem Unglauben. »Ihr ganzes Leben hat sich völlig und grundlegend geändert. Bevor wir kamen, existierten die niederen Kasten, um den Kriegern zu dienen und sie zu umsorgen. Sie hatten vielleicht zahlreiche moderne Bequemlichkeiten, aber trotz allem waren sie Sklaven der Kriegerkaste. Jetzt sind sie aus dieser Unterdrückung befreit. Wenn wir ihnen die Chance geben, werden sie ihre Gesellschaft so wiederaufbauen, daß sie diese neue Freiheit wider- spiegelt.«
»Vielleicht.« Eine Sekunde lang zuckte Wut über Vic- tors Gesicht. »Und vielleicht würden sie diese Freiheit dazu benutzen, die Fehler ihrer Vorfahren zu wieder- holen.«
Masters schüttelte den Kopf. »Sie kennen diese Men- schen nicht, Prinz Victor.«
Victor sah auf. »Mag sein, aber ich kenne die Men- schen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nehmen wir einmal an, Ihre Einschätzung stimmt.« Victor sah die Straße hinunter, wo ein paar Kinder auf den Eingangsstufen eines Wohnhauses spielten. »Wenn diese Kinder aufwachsen und die Lektion lernen, die wir ihren Eltern erteilt haben, werden sie den Krieg ab- lehnen, und wir werden nie gezwungen sein, gegen sie aufzumarschieren.«
Masters nickte und trat vom Gehsteig, um über die Straße zu gehen. »Wir etablieren Schulungsprogramme, damit alle Kinder hier etwas über die Innere Sphäre lernen und eine Verbindung zu der Geschichte erfahren, die ihre Vorfahren verworfen haben. Danach werden sie sich als ein Teil von uns sehen. Wir lehren sie, daß die ursprüngliche Mission der Kerenskys, der Wiederaufbau des
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