Battletech 45: Gefaehrlicher Ehrgeiz
Sie hatte völlig vergessen, daß im Magistrat Canopus die Frauen das Militär kontrollierten. Sie schluckte, um ihre trockene Kehle anzufeuchten. »Ich kann kein Lösegeld akzeptieren«, stellte sie fest. »Unser Auftrag war, auf jede mögliche Art und Weise Material und Ausrüstung als Ersatz für die von capellanischen Truppen auf Hustaing und Denbar konfiszierten Bestände zu besorgen. Ihre Leute werden bis zu einem Gefangenenaustausch in Gewahrsam gehen.«
»In diesem Fall kämpfen wir bis zum letzten Blutstropfen, Majorin Liao. Und alle Todesfälle gehen auf Ihre Verantwortung.«
Auf diese Bemerkung reagierte Cassandra verärgert. Inzwischen war die Innentemperatur ihres Cockpits auf erträglichere Werte gefallen, und sie atmete leichter. »Wenn man dazu nicht bereit ist, sollte man keine Krieger ins Feld führen«, stellte sie brüsk fest. »Außerdem wird das Verschwinden Ihrer Einheit dazu führen, daß Truppen für die Suche nach Ihnen eingesetzt werden und dementsprechend vom Angriff auf Paktverteidiger abgezogen.« Aber noch während sie das sagte, spürte sie einen Teil ihrer Wut verebben und wußte, daß die Füsilier-Kommandeurin eine Chance hatte, sie zu überreden.
Ihr Gegenüber enttäuschte sie nicht. »Falls Sie gestatten: Zwei meiner MechKriegerinnen, die gezwungen waren, aus ihren Maschinen auszusteigen, wurden bereits von einem Zivillastwagen eingesammelt. Es wird keine großangelegte Suchaktion geben. Ich verfüge über vier einsatzbereite Mechs, wenn wir den einbeinigen Kommando mitzählen. Im Austausch für die drei anderen BattleMechs und die Freiheit all meiner Kriegerinnen bin ich bereit, Ihnen meinen Marshal auszuhändigen. Ich erwarte, daß der Erste Lord Liao unsere Verluste aus Ihren erbeuteten Beständen oder mit neueren Konföderationsmodellen ausgleicht.«
Cassandra knirschte mit den Zähnen, als sie hörte, wie respektvoll die Canopierin Sun-Tzu betitelte, und fast hätte sie ihren Vorschlag aus purem Trotz abgewiesen. Aber dann überlegte sie. Was würde Mutter tun? Was würde Kai tun? Zum ersten Mal war sie sich nicht sicher, daß beide zugestimmt hätten. Kai hätte niemals so lange gebraucht, um einen Marshal zu erledigen, und wäre inzwischen schon mit Aufräum- und Bergungsarbeiten beschäftigt. Und Mutter würde den Vorschlag wahrscheinlich ablehnen oder sehr viel härter verhandeln.
Aber ich bin weder Kai noch Mutter.
Ich habe hier und heute einen Sieg errungen. Es war nicht der klare Erfolg, den ich mir erhofft hatte, aber es ist ein Anfang. Cassandra nickte in die Dunkelheit jenseits des Sichtschirms. »Ich bin einverstanden, Commander.« Mehr Glück beim nächsten Mal
27
Palast des Himmels, Zi-jin Cheng
(Verbotene Stadt), Sian
Kommunalität Sian, Konföderation Capella
1. April 3061
Sun-Tzu hatte den Sessel vor das Aquarium in der Ecke des Büros gezogen. Das leise Brummen der Sauerstoffpumpe war über dem Trappeln auf den Gängen des Palasts kaum wahrnehmbar. Wahrscheinlich Hofbeamte auf dem Weg zu ihren morgendlichen Verpflichtungen. Sun-Tzu ignorierte die Geschäftigkeit auf den Korridoren und versenkte sich statt dessen in die Betrachtung des flammend orangeroten Chinesischen Kampffisches, der elegant zwischen Neontetras und kleinen silbernen Meerengeln durch das Wasser glitt. »So, so, Kai«, sprach er den Kampffisch an, als der auf seinem aquatischen Flug kurz anhielt. »Bist du also mit Victor zurückgekehrt?«
Daß er das Tier nach seinem Vetter benannt hatte, war mehr als nur eine Verspottung Kai Allard-Liaos, auch wenn Sun-Tzu sich eingestand, daß ihn dieser Aspekt amüsierte. Wie vieles in seinem Leben diente es noch einem zweiten Grund. Der Fisch war ebenso wild wie elegant, geradeso wie Kai es sein konnte. Und seine großen, starren Augen waren unablässig auf Sun-Tzu gerichtet, eine Warnung, seinen Namensvetter niemals zu übersehen, der mit Sicherheit von Zeit zu Zeit nach Sian schaute, um abzuschätzen, wie groß die Gefahr für die Allard-Liaos des St. IvesPaktes war, die von Sun-Tzu ausging. Glücklicherweise hat Kai immer seinen Kriegerneigungen den Vorzug vor großen politischen Ambitionen gegeben.
Andererseits ist das schon mehr als Grund genug, sich Sorgen über meinen Vetter zu machen. Er betrachtete den Fisch nachdenklich.
In den letzten zwei Jahren hatte Sun-Tzu gelegentlich andere Kampffische zu Kai in den Tank geworfen, nur um ihnen zuzusehen. Auf geradezu gespenstische Weise hatte Kai nie verloren und häufig sogar ausgesprochen
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