Battletech 46: Die Natur des Kriegers
Stuhls. »Und Kali wird nicht bestraft.« Es war keine Frage.
»Wie bestraft man jemanden, der nicht einmal in der Lage ist, die Abscheulichkeit seines Handelns zu erkennen?« fragte Candace. »Sun-Tzu wußte genau, was er tat, als er sie vor Gericht stellen ließ. Wenn ein Tribunal des Sternenbunds sie nicht zur Rechenschaft ziehen kann, fällt es leichter, ihm seine mangelnde Kontrolle über sie zu verzeihen.«
Kai seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das kurzgeschorene dunkle Haar. »Kann sein, aber das macht es nicht einfacher, es den Paktbürgern beizubringen.« Seine Schultern sackten kaum merklich, und er nahm sich sofort wieder zusammen, aber Candace hatte es bereits bemerkt.
»Steht es dort draußen so schlimm?« fragte sie und bezog sich auf die Schlachtfelder vor Tian-tan, die seit Kais Rückkehr praktisch zu seinem Zuhause geworden waren.
Kai zupfte am Ärmel seiner purpurfarbenen Felduniform. »Nein«, meinte er. »So schlimm nicht. Den Novakatzen schlägt reichlich Feindseligkeit entgegen, selbst von unseren eigenen Leuten, aber das war zu erwarten. Die Kämpfe sind nicht annähernd so brutal wie es die Berichte von Ambergrist melden oder wie sie vor der Desertion auf Nashuar gewesen sein müssen.«
Candace stählte sich für den bevorstehenden Wortwechsel. Sie wollte ihrem Sohn nicht noch zusätzlich zusetzen. »Es war keine Desertion. Oberst Nevarr weiß, was er tut.«
Kai sah seine Mutter erstaunt an. »Du bist damit einverstanden?«
»Ich hätte mich damit einverstanden erklären können«, erwiderte sie. »Wenn eine derartige Unterstützung aus Tian-tan nicht der Kampfmoral des ganzen Pakts geschadet hätte.« Sie wußte, daß er sich damit nicht zufrieden geben würde und daß es ihm nicht leicht fiel, das Unausweichliche zu akzeptieren. Sie wechselte das Thema. »Die Kämpfe sind also weniger brutal. Das ist wenigstens etwas.«
Kai machte ein ernstes Gesicht. »Es ändert nichts daran, daß wir beständig an Boden verlieren.«
Candace dachte an das Loblied, das Caroline Seng bei jeder Gelegenheit auf Kai und seine 1. St.-IvesLanciers sang. Die Konföderationstruppen versuchten nicht, ihn zurückzudrängen. Sie erzwangen ein Unentschieden, hielten ihn vor starken Verteidigungsstellungen auf oder wichen zurück, während sie anderenorts vorrückten. Aber selbst Kai konnte nicht überall sein, auch wenn sie wußte, wie sehr er das versuchte. Manchmal sah sie seinen Namen am selben Tag auf drei Gefechtsberichten aus drei verschiedenen Gebieten.
»Es mag den Anschein haben, daß wir gegen den Sturm anbrüllen«, bemerkte sie milde, »aber wir tun, was wir tun müssen. Und wir können auf keine weitere Unterstützung zählen.«
»Victor würde kommen«, erklärte Kai ausdrücklich, um seinen Freund zu verteidigen.
»Mag sein.« Candace stimmte ihm nur in Grenzen zu. »Wenn du ihn darum bitten würdest.« Sie machte eine Pause und sah ihrem Sohn in die Augen. Kai senkte den Blick als erster. »Ich glaube nicht. Victor hat derzeit eigene Probleme.« Ihr Tonfall wurde düsterer. »Die Krise auf Solaris VII hat die Schwierigkeiten im Vereinigten Commonwealth zugespitzt. Von dem abgesehen, was uns George Hasek liefert, können wir unseren Informationen aus zahlreichen Bezirken nicht mehr trauen.«
Bei der Erwähnung von Informationen runzelte Kai besorgt die Stirn. »Quentin?« erkundigte er sich nach seinem Bruder.
»Schweigt«, erwiderte Candace. »Seit Wochen kein Wort, aber das wäre nicht die erste Gelegenheit, bei der er gezwungen ist, sich bedeckt zu halten. Mach dir um ihn keine Sorgen.« Das ist meine Aufgabe.
»Dann sind wir ganz auf uns allein gestellt.« Kai nickte und akzeptierte die Rolle, die das Schicksal dem Pakt und ihm auferlegte. Er stand auf und trat zu seiner Mutter hinüber, um ihr einen Kuß auf die Stirn zu drücken. »Ich bleibe heute nacht hier und fliege morgen früh zurück zu meinem Regiment.«
Als Kai den Salon langsamen Schritts verließ, konnte Candace ihm ansehen, wie bedrückt er war. Dieser Krieg war eine Belastungsprobe für Kai, wie es keine Schlacht gegen die Clans je gewesen war. Und ohne ihn wäre St. Ives vielleicht schon verloren gewesen. Ich wünschte, ich könnte dir mehr Hoffnung geben, mein Sohn, dachte die Präsidentin des St. Ives-Paktes. Aber wenn es eine Hoffnung für St. Ives gibt, mußt du sie mir geben.
Und wenn nicht, bleibt immer noch Cassandra.
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Raumhafen Báo-feng, Wuhan, Ambergrist Herzogtum St. Loris, St. Ives-Pakt
6. September 3062
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