BattleTech 47: Die Spitze des Dolches
dass er wenig mehr als eine halbe Stunde hatte, um seine Leute in Stellung zu bringen. Das war kein Problem. Schwieriger würde es werden, dabei keinen Lärm zu machen. Von den theoretisch zwanzig Mann unter seinem Befehl waren nur sechs wirkliche Soldaten, wie er selbst ehemalige Mitglieder der BlackwindLanciers. Der Rest waren Zivilisten, Partisanen, motiviert vom Hass auf die capellanischen Invasoren.
Seit mehreren Wochen beobachteten er und seine Widerstandsgruppe schon die Bewegungen der capellanischen Truppen. Jetzt sollte diese Überwachung sich auszahlen. Sie kannten sich inzwischen ziemlich gut mit dem Zeitplan der feindlichen Streifen und Manöverübungen aus, und jetzt standen seine Leute vor dem waghalsigsten Angriff, seit die Capellaner auf Milos gelandet waren. Sie planten einen Nachtangriff auf das Lager einer feindlichen Manöverpatrouille.
»Okay, aufsitzen«, gab Messner durch. »Ich übernehme mit Danny die Führung. Marj, du deckst uns den Rücken. Die Zivilisten gehen mit den Lastern in die Mitte. Jeder kennt seine Aufgabe. Lasst uns versuchen, keine Fehler zu machen und am Leben zu bleiben. Abmarsch.«
Messner zog die Gefechtsmontur aus. Nur noch mit Stiefeln und Unterhose bekleidet fröstelte er in der kalten Nachtluft. Hastig stieg er in die wuchtige Kühlweste, die ihm helfen würde, die erstickende Hitze eines Mechcockpits im Gefecht zu überleben und trotz der hohen Temperaturen den Kampf fortzusetzen. Nachdem er die Weste geschlossen hatte, kletterte er die schwankende Kettenleiter hinauf, die aus der offenen Cockpitluke seines nicht gerade fabrikneuen DW-7D Derwisch hing. Dank der Wärmeentwicklung des Fusionsreaktors, der den BattleMech antrieb, war es im Innern der Pilotenkanzel schon jetzt wärmer als im Freien. Abwärme war einer der größten Feinde eines MechKriegers. Nicht nur der Fusionsreaktor erzeugte Abwärme, dasselbe galt für die Waffensysteme des Kampfkolosses und die Myomerfaserbündel, die ihm als künstlicher Muskelersatz seine Beweglichkeit verschafften. Bei Hitzestau wurde der Mech widerspenstig, die Zielerfassungs- und Feuerleitsysteme wurden schwerfälliger, und in extremen Fällen konnte es sogar vorkommen, dass sich der Fusionsreaktor sicherheitshalber abschaltete. Noch katastrophaler war nur, wenn zu hohe Temperaturen die Raketen im Munitionsvorrat des Derwisch zur Detonation brachten.
Der Gedanke an die Raketen bereitete Messner einen kurzen Augenblick der Besorgnis. Seine fünfundfünfzig Tonnen schwere Maschine war üblicherweise mit insgesamt 240 Langstreckenraketen und je 100 Kurzstreckenraketen für die ›ZwillingsBlitzlafetten‹ bestückt, die statt Händen an den Enden der beiden Arme des DW-7D saßen. Momentan verfügte er allerdings nur über genügend Munition für je sechs Salven der beiden zehnrohrigen LSR- und je zwanzig der treffsichereren Blitz-Lafetten. Sobald die verbraucht waren, blieben ihm als Bewaffnung nur die mittelschweren ChisComp-Laser in den Mecharmen, knapp hinter den Abschussrohren der Blitzraketen. All das ging Messner durch den Kopf und wurde automatisch wieder verdrängt, als er den Mech hochfuhr.
Noch ein Blick auf seine Uhr: 03:40. Noch zwanzig Minuten. Irgendwo hatte er einmal aufgeschnappt, dass vier Uhr morgens die beste Zeit für einen Überraschungsangriff war. Es hieß, dass der Feind um diese Zeit am Tiefpunkt seiner geistigen und körperlichen Möglichkeiten und der Angreifer entsprechend im Vorteil war. Heute würden er und seine Partisanen diese Theorie auf die Probe stellen.
Er setzte sein humanoides Kampffahrzeug in Bewegung. Hinter ihm reihte sich Rekrut Daniel Colonna in seinem zerbeulten Vollstrecker ein, dem drei geländegängige Pritschenwagen folgten, deren ursprüngliche Lackierung von einem groben Fleckenmuster in Grün, Grau und Schwarz überdeckt wurde. Auf der Ladefläche jedes Lasters fuhren vier oder fünf Partisanen mit einer buntgemischten Bewaffnung aus Jagdgewehren und erbeuteten Militärwaffen mit. Lance Corporal Marjorie Rhom schloss die kleine Kolonne ab. Rhoms Amboss war mit sechzig Tonnen der schwerste LancierMech, den es auf dem Planeten noch gab. Er war auch der einzige Kampfkoloss unter Messners Befehl, dessen Pilotin sich keine Sorgen um ihre rapide schwindenden Munitionsvorräte zu machen brauchte. Der AMB-3M war ausschließlich mit Lichtwerfern bestückt.
Zehn Minuten später stand der Derwisch im Schatten eines niedrigen Berges, an dessen Fuß die Capellaner ihr Lager aufgeschlagen
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