BattleTech 50: MechWarrior Trilogie
durchgeblättert, aber sie hat dieses Büro zu keinem Zeitpunkt verlassen. Und das Material in dieser Akte ... sagen wir, es war nicht erkennbar als Geheimsache markiert. Es muß mir irgendwie entgangen sein. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Da wir eine Besprechung hier hatten, hat sich nichts in irgendeiner Weise Bemerkenswertes ereignet. Verstehen wir uns, Schütze?«
Mit diesen Worten drehte Oberleutnant Hershorn seinen Sessel um, stand auf und trat an sein kleines Fenster, um durch die Schlitze der Jalousie hinaus zu schauen.
Harley sah ihn einen Moment an, dann öffnete er die Akte und las. Der Bericht war nicht sonderlich umfangreich, gerade einmal drei Seiten. Er trug den Titel »Zusammenfassende Analyse« und war von Oberleutnant Weldon Hershorn verfaßt. Die Schlußfolgerung war dieselbe, zu der auch Harley gekommen war: Der Hinterhalt, in den Hawke's Talons auf Caldarium geraten waren, war das Ergebnis eines Geheimnisverrats an den Feind. Es war nicht bekannt, wo die undichte Stelle gewesen war, aber nur relativ wenige Personen hatten Zugriff auf die Missionsbefehle gehabt. Kommandanthauptmann Able und Hauptmann Max Chou, der befehlshabende Offizier des Bataillons Eins. Livia Hawke, ihre direkten Untergebenen, die sämtlich ums Leben gekommen waren, und eine Reihe von Kommoffizieren.
Die Überprüfung aller Funkverbindungen und Kommunikationslogs hatte keine Verbindungsaufnahme mit Hopper Morrison ans Licht gebracht, aber der Zeitpunkt, an dem das Sicherheitsleck aufgetaucht war, konnte recht genau eingegrenzt werden. Zwischen dem Moment, an dem Able die Mission angeordnet hatte, und jenem Tag auf dem Vogelsangkamm, an dem die Söldnerkompanie niedergemetzelt worden war, waren nur zwei Monate vergangen, und es mußte Morrison eine gewisse Zeit gekostet haben, seine Leute für der Hinterhalt in Stellung zu bringen.
Die Liste der Hauptverdächtigen war äußerst kurz. Sie bestand aus nur zwei Namen. Einer war der eines Kommoffiziers, von dem Harley noch nie etwas gehört hatte und dessen Vetter bei Morrisons Ausbeutern diente. Der andere war Oberleutnant Livia Hawke.
Harley wußte nicht, wie lange er da saß und auf der Bericht starrte. Schließlich klappte er den Ordner leise zu und legte ihn wieder auf den Schreibtisch. Was er gerade gelesen hatte, war kein Beweis, aber es brachte ihn einen Schritt weiter auf dem Weg zur Wahrheit. Und jetzt glaubte er, einen Blick auf diesen Weg erhaschen und sogar die Gestalt erkennen zu können, die an seinem Ende auf ihn wartete Oberleutnant Livia Hawke.
»Danke, Sir«, sagte er und stand auf.
»Ich habe keine Ahnung, wofür Sie mir danken Schütze«, gab Hershorn zurück, nahm den Ordner vom Schreibtisch und legte ihn zurück in eine der Schubladen. »Aber da wäre noch eine Sache, über die wir reden sollten.«
»Sir?«
Hershorn kehrte nicht an seinen Platz zurück, sondern verschränkte die Arme und sah Harley an. »Wie ich bereits erwähnte, war ich Teil des Teams, das die Entsatz- und Rettungsaktion zum Vogelsangkamm anführte. Ich habe die sterblichen Überreste Ihres Bruders geborgen. Da wir erst mehrere Tage später eintrafen, war ein normales Begräbnis nicht mehr möglich, und wir haben seinen Leichnam eingeäschert. Es ist vorgesehen, die Asche mit dem nächsten Transitflug nach Slewis an Ihre Familie zu überstellen. Wenn Sie eine Botschaft an Ihre Familie verfassen möchten, kann ich Sie beilegen.«
Diese Eröffnung berührte Harley tief, aber er ließ sich nichts anmerken. »Ich verstehe, Sir. Danke. Ich würde meinem Da und meiner Schwester gerne eine Nachricht zukommen lassen.«
»Wir schicken die Urne mit der Asche diese Woche ab. Lassen Sie mir Ihren Brief bis dahin zukommen, und ich sorge dafür, daß er sie nach Slewis begleitet.«
Jord MacAuld übersprang drei Stufen, um Harley einzuholen. Auf der anderen Seite tat Bixby Finch dasselbe. Im Verlauf der letzten Woche waren die drei gute Freunde geworden. Bix war ein strohblonder Bauernbursche, der in derselben Gruppe wie Harley als Rekrut von Waypoint nach Gillfillan's Gold gekommen war. Er und Harley hatten so viel gemeinsam, daß sie sich vom ersten Moment an bestens verstanden hatten. Jord und Harley hatten sich angefreundet, nachdem er den jungen Rassor in Rectortown in Aktion gesehen hatte.
»Und, Teufelskerl, wie war's beim Gespenst?« fragte MacAuld.
»Beim Gespenst?« Harley ging nicht auf den Spitznamen ein, den er seit der Schlacht weghatte. Er hatte den starken Verdacht, daß einer
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